Nicht zum ersten Mal spricht Ankara davon, das Flüchtlingsabkommen mit der EU zu kündigen, wenn die zugesagte Visafreiheit für türkische Bürger nicht umgesetzt wird. Nun steht allerdings erstmals ein Datum im Raum. So verlangt der türkische Aussenminister Mevlut Cavusoglu in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», dass die Visumpflicht bis im Herbst aufgehoben werde. «Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein – aber wir erwarten ein festes Datum.»
Andernfalls sei die Türkei gezwungen, «vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen». Das Flüchtlingsabkommen hat – zusammen mit dem Bau des Grenzzauns in Mazedonien – dazu geführt, dass inzwischen deutlich weniger Migranten auf die griechischen Inseln übersetzen und sich über die nunmehr geschlossene Balkanroute Richtung Norden und vor allem nach Deutschland durchschlagen.
EU: Bedingungen sind noch nicht erfüllt
Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger sollte ursprünglich ab Juli aufgehoben werden. Dieser Termin hat sich aber verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Die EU will, dass sie so geändert werden, dass sie nicht gegen politische Gegner missbraucht werden können.
Die EU-Kommission reagierte reserviert und erklärte am Abend, man werde sich von den Drohungen aus Ankara nicht beeinflussen lassen. Die Visumfreiheit werde es nur geben, wenn alle Bedingungen erfüllt seien, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Aus der Kommission hiess es zudem, Experten stünden weiter bereit, um Ankara bei der Umsetzung zu unterstützen.
Erdogan sprach von Wortbruch
Bereits Anfang der Woche hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in einem ARD-Interview der Europäischen Union vorgehalten, in der Flüchtlingspolitik ihr Wort gebrochen und Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben. Die Türkei stehe zu ihren Versprechen. «Aber haben die Europäer ihr Versprechen gehalten?», fragte er und erinnerte an die versprochene Visumfreiheit.