Kaffeeplantagen, Vulkane, Palmenstrände: El Salvador könnte ein Paradies sein. Es ist der kleinste und am dichtesten besiedelte Staat Mittelamerikas. Auf einer Fläche, die halb so gross ist wie die Schweiz, wohnen über 6 Millionen Menschen.
Besonders eng wird es in den Armenvierteln. Teils bis zu 20'000 Einwohner teilen sich einen Quadratkilometer. Ein Drittel der Einwohner lebt unter der Armutsgrenze. Die Wirtschaft schwächelt. Die Überweisungen der rund 2,7 Millionen in die USA ausgewanderten Salvadorianer machen rund 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Über 40 Prozent der Bewohner kämpfen vergeblich um einen Job, Gesundheits- und Bildungssystem sind schwach, die Korruption gross – die Unsicherheit durch die Bandenkriminalität macht das Leben für viele zum Albtraum.
Guerillapartei gegen Konservative
Und dennoch kämpfen fünf Männer um den Posten als Präsident für die Legislatur 2014 bis 2019. Es zeichnet sich ein Duell ab zwischen den traditionellen Fronten: die Wahl am Sonntag ist ein Entscheid, ob die sozialdemokratische Politik des amtierenden FMLN-Präsidenten Mauricio Funes fortgesetzt wird oder ob sich die Konservativen mit ihrer neoliberalen Wirtschaftsagenda durchsetzen können.
Laut Umfragen führt der Kandidat der früheren Guerilla FMLN, Salvador Sánchez Cerén, mit 32 Prozent vor Norman Quijano González von der rechtsgerichteten Arena mit knapp 30. Ihnen auf den Fersen ist der rechte Politiker Elías Antonio Saca von der Partei Unidad, der auf knapp 10 Prozent kommt. Mit ihm ist eine dritte ernstzunehmende Kraft ins Spiel gekommen, die erstmals das verkrustete System der zwei grossen Parteien zu sprengen droht. Sacas Kandidatur zwingt die beiden traditionellen Parteien vermutlich in eine zweite Runde, die im März stattfinden soll.
Niemand wagt, Stellung zu beziehen
Wie wollen die Bewerber die Situation im krisengeschüttelten Land verbessern? Aus ihren Kampagnen war wenig Konkretes zu vernehmen. «Die meiste Zeit haben sich die Kandidaten darum bemüht, den Gegner nicht exzessiv zu attackieren – um sich so nicht angreifbar zu machen wegen Mängel während der eigenen Amtszeit», sagt José Luis Sanz zu SRF News Online. Er ist Journalist bei der renommierten Online-Zeitung El Faro in El Salvador.
Kaum Debatten und wenig Inhalt – so das Fazit Sanz‘ über die vorsichtige Kampagne. Beide Parteien konzentrierten sich auf ihre traditionellen Werte: Die linke FMLN auf die Weiterführung ihrer Sozialprogramme. Die rechte Arena auf mehr Impulse für die Wirtschaft.
Der Kampf der Banden
Erst zum Endspurt feuerte der konservative Kandidat Quijano gegen die regierende FMLN-Partei unter Präsident Funes: Die FMLN verhandle mit Verbrechern. Dies wegen eines Waffenstillstands zwischen aufs Blut verfeindeten rivalisierenden Banden. Dieser kam vor knapp zwei Jahren zustande kam – während Funes‘ Amtszeit. Die Mordrate im Land halbierte sich innert kürzester Zeit. «Seit wenigen Monaten steigt die Zahl der Morde wieder leicht an. Dies benutzt Arena als Mittel, um die FMNL anzugreifen», sagt Journalist Sanz.
Grundsätzlich wären weniger Morde eine erfreuliche Entwicklung. Doch an der wichtigsten Frage, welche die ganze Nation verunsichert, wollen sich die Hauptkontrahenten die Finger nicht verbrennen: Wie weiter im Kampf gegen die Banden? Keiner der Politiker hat laut Sanz klar Position bezogen. «Der Umgang mit den Banden ist so delikat, niemand will klar Position beziehen.» Der «Pakt mit den Banden» ist auch in der Bevölkerung mittlerweile sehr unpopulär, wie eine Umfrage der Universidad Centroamericana UCA im Mai 2013 zeigte.
Uniform und Bleistift
Arena-Politiker Quijano poltert gegen den Waffenstillstand – und der FMLN gibt zurück. Die linke Regierung, welche vor fünf Jahren der konservativen Arena das Zepter aus der Hand nahm, erinnert die Bevölkerung an die Korruption von damals – 20 Jahre Korruption. «Die Frustration nach vier Amtsperioden der konservativen Arena ist noch nicht vergessen. Dies spielt der FMLN in die Hand: Sie verkauft Hoffnungen und fährt damit besser», beobachtet José Luis Sanz.
Die Hoffnung eines Wechsels ist für viele nicht nur Illusion geblieben: Arme Familien haben von Funes‘ Sozialprogrammen profitiert: gratis Schuhe, Uniformen, Schreibstifte. Die Unterstützung für die FMLN hat gemäss Umfragen in ländlichen und ärmeren Gebieten zugelegt. Verständlich für José Luis Sanz: «Schuhe und eine Uniform für die Schule. Das ändert das Leben für eine Familie mit fünf Kindern auf dem Land.» Der Ausgang der Wahl bleibt freilich offen.