Spanien ist auf der Liste von Transparency International geradezu abgestürzt: Nach einer Reihe von Skandalen der Regierungspartei und der Königsfamilie verlor das Land in dem Korruptionswahrnehmungsindex gegenüber dem letzten Jahr zehn Punkte und landete mit 59 Punkten nur noch auf Platz 40. Damit verzeichnete Spanien gemeinsam mit Mali, Gambia, Guinea-Bissau und Libyen die zweitgrössten Verluste. Nur das Bürgerkriegsland Syrien stürzte noch stärker ab.
Korruption begünstigte Immobilienblase
Spanien steckt seit fünf Jahren in einer Wirtschaftskrise, die das Land zu drastischen Sparmassnahmen zwang. Dabei stellte sich heraus, wie sehr die engen Beziehungen zwischen Politikern und Bauunternehmern in der Vergangenheit die Immobilienblase gefördert hatten. So gab der frühere Schatzmeister der regierenden Volkspartei, Luis Barcenas, zu, Bargeld-Geschenke von Baulöwen an Spitzenpolitiker weitergeleitet zu haben. Auf seinen Schweizer Konten fanden die Ermittler 48 Millionen Euro.
Korruptionsfall im Königshaus
Auch der Schwiegersohn des spanischen Königs wurde dieses Jahr wegen der Veruntreuung von 6 Millionen Euro öffentlicher Gelder angeklagt. Das spanische Parlament reagierte auf den Unmut der Bevölkerung, indem es das erste Informationsfreiheitsgesetz des Landes verabschiedete. Spanien war bis dahin das einzige Land in Europa, in dem kein Gesetz den Bürgern Auskunft über die Verwendung öffentlicher Mittel garantierte.
Das Thema Korruption ist in Spanien nicht erst seit einem Jahr zum Dauerbrenner geworden, wie SRF-Auslandredaktor Martin Durrer betont. Begonnen habe alles 2009 mit den Recherchen des damaligen Untersuchungsrichters Baltasar Garzón in Valencia. Später seien die Medien aufgesprungen. «Das hat zu einer geballten Darstellung von Fällen geführt», welche die letzten 20 Jahre betreffen.
Korruption gehört irgendwie zum spanischen System
Entsprechend könne auch nicht gesagt werden, dass Spanien im vergangenen Jahr korrupter geworden sei, als es vorher war. Der Index von Transparency International zeigt, wie die Korruption in der Öffentlichkeit im vergangenen Jahr wahrgenommen worden ist. Spanien ist in der Rangliste zurückgefallen, weil diverse Korruptionsfälle aus der Vergangenheit im Zuge der Krise zum öffentlichen Thema geworden sind.
Wenig Auswirkungen haben die Korruptionsfälle laut Durrer auf die reale Politik: Zwar wird die Bestechlichkeit als Problem wahrgenommen und die Leute ärgern sich darüber. Trotzdem herrsche die Einstellung vor, dass die Korruption in gewisser Weise zum spanischen System gehöre. Entsprechend gering seien die realen politischen Folgen, etwa bei Wahlen.