Extremisten haben am Montag in der ägyptischen Stadt Rafah 25 Polizisten getötet. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden zwei Fahrzeuge der Ordnungspolizei am Morgen von Unbekannten aus dem Hinterhalt mit Panzerfäusten angegriffen.
Die Region Rafah gilt als Hochburg militanter Salafisten. Sie liegt auf der Sinai-Halbinsel an der Grenze zum palästinensischen Gazastreifen. Ausserdem kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und den Betreibern der Schmugglertunnel, durch die Waffen und Waren des täglichen Bedarfs in den Gazastreifen gelangen.
Trotz der anhaltenden Gewalt und täglich neuen Toten beschwichtigt die Übergangsregierung, die Lage bald in den Griff zu bekommen. «Das Problem ist aber: Auch die Muslimbrüder glauben nach wie vor, den Sieg mit ihren Mitteln: mit Demonstrationen – aber auch mit Gewalt zu erreichen», urteilt SRF-Korrespondent Pascal Weber.
«Das heisst: Wir haben zwei Seiten, beide bewaffnet. Und beide bereit, ihre Waffen gegen die jeweils andere Seite einzusetzen. Das kann nur zu Eskalation führen.»
Hinzu kommen zwei Meldungen: Der Ex-Machthaber Hosni Mubarak soll bald freikommen. Dies wurde heute aus Justizkreisen bekannt. Gleichzeitig wurde bekannt, dass gegen den jüngst abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi wegen Beteiligung an Mord an Demonstranten ermittelt wird.
«Eine Freilassung Mubaraks würde auf Seiten der Muslimbrüder die Wut ins Unermessliche steigern», ist sich Pascal Weber sicher.
Sondertreffen der EU-Aussenminister
Die EU beobachtet die Entwicklung in Ägypten mit grosser Sorge. Am Montag trafen sich die Botschafter der 28 EU-Staaten in Brüssel. Sie berieten über eine europäische Reaktion auf das Blutvergiessen in Ägypten.
«Die Gewalt und das Töten in den vergangenen Tagen können weder gerechtfertigt noch stillschweigend geduldet werden», hiess es in einer gemeinsamen Erklärung des EU-Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy und des EU-Kommissionschefs José Manuel Barroso. Auch die EU-Aussenminister wollen sich zu Ägypten beraten. Am kommenden Mittwoch findet ein Sondertreffen statt.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will angesichts der Gewalt in Ägypten einen Stopp der Waffenexporte in das Land prüfen.
Trotzreaktion auf Appelle der EU
Die Regierung in Kairo reagierte trotzig auf diese Appelle. Aussenminister Fahmi sagte, seine Regierung habe die Aufgabe, Recht und Ordnung durchzusetzen. Davon werde sie sich auch durch die Streichung von Entwicklungshilfeprojekten nicht abbringen lassen. Mehrere EU-Staaten haben bereits Finanzhilfen für staatliche Entwicklungsprojekte auf Eis gelegt.
«Die Appelle werden sehr wohl registriert, aber sie bewirken eher das Gegenteil», sagt Astrid Frefel zu SRF. Sie ist Journalistin in Kairo. Die Aufrufe würden eine Abwehrhaltung provozieren. «Man will überhaupt keine Einmischung von aussen zulassen.»
Wichtig sei die Haltung der USA. «Sie sind überhaupt nicht interessiert am Abbruch der Beziehungen, sie wollen nicht auf ihren Einfluss in der Region verzichten», sagt Frefel. Daher verzichteten sie auch nicht auf Militärhilfe. Sie ist das wichtigste Instrument, um überhaupt Einfluss auszuüben.
Die Regierung drohte, mit eiserner Faust gegen Terroristen vorzugehen. Der Vorsitzende der Übergangsregierung, Hasim al-Biblawi, schlug vor, die Muslimbrüder verbieten zu lassen. Die Muslimbruderschaft war während der Amtszeit des 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak offiziell verboten.
Seit der Räumung von zwei Protestlagern der Islamisten am Mittwoch sind nach offiziellen Angaben mindestens 750 Menschen Opfer der Gewalt geworden, darunter 57 Polizisten.
Position neu überdenken
Der Armeechef, General Abdelfattah Al-Sisi, forderte die Muslimbrüder auf, ihren Protest aufzugeben. Stattdessen sollten sie sich wieder am politischen Prozess beteiligen. Gleichzeitig drohte Al-Sisi, die Sicherheitskräfte würden nicht schweigend zuschauen, wie die Entwicklung des Landes von den Anhängern Mursis sabotiert werde. «Ägypten hat Platz für alle», sagte Al-Sisi, «ich rufe Euch auf, eure Position noch einmal zu überdenken».
Gleichzeitig aber starben am Sonntag bei einem Gefängnisausbruchs von festgenommenen Muslimbrüdern in Kairo möglicherweise gegen 40 Menschen.
Dies sei ein Widerspruch zwischen Worten und Taten Al-Sisis, sagt die Journalistin Frefel: «Es ist nicht abzusehen, wie es in der jetzigen Lage es zu einem Dialog kommen könnte.» Im Moment hätten jene Stimmen das Sagen, die eine harte Linie verfolgen. Ihr Ziel: Die Muslimbrüder so stark wie möglich schwächen.