In Westafrika sind bereits über 3300 Menschen an Ebola gestorben. Eine Kontrolle der Epidemie ist bei Weitem nicht in Sicht. Die kritischen Stimmen mehren sich, wonach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ernst der Lage zu spät erkannt habe. Über die Ursachen haben ausgewiesene Experten eine klare Meinung.
So musste die WHO wegen der Finanzkrise ihr Budget massiv kürzen: 20 Prozent weniger Mittel als angefordert erhielt sie von ihren 194 Mitgliedsstaaten. Und ausgerechnet jene Abteilung, die bei Krisen und Epidemien aktiv ist, musste sogar eine Kürzung um die Hälfte hinnehmen, wie der frühere WHO-Vize-Generaldirektor David Heymann sagt: «Das Team, das bei einem Viren-Ausbruch eine schnelle Reaktion sicherstellte, wurde aufgelöst.»
Dies sei ein grosser Fehler gewesen, bestätigt Peter Piot, Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine: Die WHO habe die Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Epidemien inne. Nach der Kürzung hätten viele Experten die Organisation verlassen müssen. Wissen sei verloren gegangen – mit verhängnisvollen Folgen.
Entscheidende Frühphase
Die Reaktion der WHO in der Frühphase der Epidemie sei zu zögerlich gewesen, erklärt Heymann. So sei das Virus nicht schon im ländlichen Ursprungsgebiet gestoppt worden wie bei früheren Ausbrüchen. Stattdessen drang es in städtische Räume vor und wurde viel schwerer beherrschbar.
Die Einschätzungen von Heymann und Piot haben Gewicht. Sie sind Pioniere der Ebola-Forschung und seit den ersten Ausbrüchen massgeblich an der Bekämpfung beteiligt. Sie sind überzeugt: Vor dem Umbau habe die WHO Ausbrüche besser bekämpft, zum Beispiel das Sars-Virus 2002.
WHO verneint Mangel an Know-How
Generaldirektorin Margaret Chan habe im August das Budget für die Epidemie-Bekämpfung fast wieder auf den ursprünglichen Stand angehoben, entgegnet WHO-Sprecher Christian Lindmeier. Ehemalige Mitarbeiter würden nun auf Beraterbasis wieder eingesetzt. Und die anfänglich langsame Reaktion sei nicht einem Mangel an Know-how zuzuschreiben. Vielmehr habe Ebola neue, unvorhersehbare Eigenschaften offenbart.
Mittlerweile sei die Reaktion der WHO und der Weltgemeinschaft angemessener, räumen Heymann und Piot ein. Aber Piot verlangt grundlegende Reformen: Drei Viertel des WHO-Budgets gingen an die regionalen Büros, ohne dass die Genfer Zentrale eine Aufsicht über deren Leistung habe. Das müsse hinterfragt werden, denn das afrikanische Regionalbüro habe bei der aktuellen Epidemie versagt.
Die Mitarbeiter der Regionalbüros werden direkt von den Ländern der Region ausgewählt. Oft spielten dabei nicht die Fähigkeiten die erste Rolle, sondern politische Gründe, kritisiert Piot.
Steiniger Weg zu Reformen
Allerdings wäre eine solche Reform kompliziert, da die 194 Mitgliedsländer der WHO sie anstossen müssten. Ein fast hoffnungsloses Unterfangen, konstatiert Barry Bloom von der Harvard University, wie Piot und Heymann ein anerkannter Experte. Er habe Verbesserungen vorgeschlagen und WHO-Generaldirektorin Chan sei Willens, darüber nachzudenken. Aber der Rat der 194 Gesundheitsminister, der Reformen gutheissen müsste, blockiere vieles. Laut WHO-Sprecher Lindmeier ist ein Reformprozess im Gang. Wann Resultate vorlägen, könne er aber nicht sagen.
Auch nach der Ebola-Epidemie wird die WHO also viel zu tun haben. Aber sie wird dazu die volle Unterstützung ihrer Mitgliedsländer brauchen. Diese müssen genügend Geld zu Verfügung stellen und die nötigen Reformen ermöglichen. Nur so wird die Welt für den Notfall gerüstet sein, denn die nächste Epidemie kommt bestimmt.