Ninawa heisst die Provinz und Ninawa al Ghad – das Ninawa von Morgen – der Lokalsender. Er sendet Durchhalteparolen an das Volk von Mossul unter dem Diktat der dschihadistischen Terrormiliz Islamischer Staat. Der Kanal tut dies aus einem diskreten Gebäude in der kurdischen Autonomiezone – 100 Kilometer von seinen alten Studios entfernt.
Was genau mit den Büros des Senders in Mossul geschehen ist, weiss der 26-jährige Fernsehdirektor Abdullah Nujeifi nicht. Er hat in Nordengland studiert und ist der Sohn von Atheel Nujeifi, dem Provinzgouverneur. Die beiden flüchteten im Juni. Nun will der Gouverneur seine Stadt und seine Provinz zurück.
Das Notstudio seines Sohnes ist Teil der Rückeroberungsstrategie. Ein paar Computer, zwei kleine Schnittplätze – die Sendeanlage stammt aus einem alten Übertragungswagen. Ninawa al Ghad sendet aus einem ehemaligen Einfamilienhaus. Im Obergeschoss dient das Schlafzimmer als Fernsehstudio, mit dicken Vorhängen schallisoliert.
Zuschaueranrufe unter Lebensgefahr
Von hier präsentiert Ninawa al Ghad täglich die neusten Nachrichten aus Mossul und Umgebung. «Der Sender stützt sich auf ein Netz von Informanten, von denen einige mit Mobiltelefonen Fotos und Videoclips machen», sagt Nujeifi. «Sie riskieren viel.»
Dreimal pro Woche wird aus dem kleinen Studio auch das Herzstück des Programms produziert: eine einstündige Diskussionsendung mit Zuschaueranrufen direkt aus der besetzten Stadt. «Den Leuten Hoffnung geben, ihnen zeigen, dass es noch immer eine alternative Stimme zu den Dschihadisten gibt und dass die Provinzverwaltung weiter existiert. Darum geht es», so Nujeifi.
Schwindende Unterstützung wegen Gräueltaten
Als Mossul fiel, jubelten zunächst viele. Sie sahen die Eroberung ihrer Millionenstadt als Teil eines sunnitischen Aufstandes gegen die verhasste Regierung in Bagdad. Sie atmeten auf, als die korrupte Regierungsarmee vertrieben wurde. Auch hörten die Bombenanschläge auf. Und die Dschihadisten verteilten Nahrungsmittel an die Bevölkerung – jedenfalls an die sunnitische.
«Das hielt aber nicht lange», sagt Nujeifi. Bald verhafteten oder ermordeten die Fanatiker auch ehemalige Mitstreiter, die sich der Autorität des selbsternannten Kalifen von IS nicht beugen wollten. Sie begannen die Bevölkerung mit ihren drakonischen Sittlichkeitsgesetzen zu terrorisieren. «Sie warfen Mossul um Jahrhunderte zurück», sagt einer der Anrufer aus der Stadt. Die Moderatorin pflichtet bei. Ein anderer beklagt die Versorgungsprobleme: Es fehlt an Strom, an Gas, an Benzin und an Geld.
Die Rückeroberung von Mossul kann nur durch Kräfte aus Mossul geschehen
Zu hören ist in der Sendung auch, dass die Terrormilizen noch immer auf gewisse lokale Unterstützung zählen können. «Es gibt den religiösen Fanatismus in den Köpfen in Mossul», räumt Nujeifi ein. Doch mit ihren Gräueltaten hätten die Extremisten bereits viel Rückhalt verloren. Davon ist er überzeugt.
Gouverneur Nujeifi bereitet Widerstand auf
Wie aber wird aus Unmut ein erfolgreicher Aufstand? Die kurdischen Nachbarn Mossuls sind mit sich selbst beschäftigt und die irakische Regierungsarmee und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen sind im sunnitisch geprägten Ninawa weiterhin keine akzeptablen Kräfte. «Die Rückeroberung von Mossul kann nur durch Kräfte aus Mossul geschehen», sagt Nujeifi. Er und sein Vater arbeiten daran. Jeder auf seine Weise.
Es sollen bereits Untergrundkämpfer in der Stadt aktiv sein, die Befehle vom vertriebenen Gouverneur beziehen und mit Nadelstichen die Dschihadisten verunsichern sollen. Unbekannt aber ist ihre Zahl, völlig ungewiss ihr Potential.
Augenfälliger sind die Bemühungen, eine Art sunnitische Polizeitruppe für Mossul zu formen. Auch sie ist direkt dem Gouverneur Atheel Nujiefi unterstellt. Ein paar tausend Mann stark soll diese lokale Truppe werden. Der Gouverneur hofft, sie zu gegebenem Zeitpunkt als Speerspitze im Kampf gegen die Terrormilz IS nach Mossul schicken zu können.
Erste Unterstützung aus Hauptstadt Bagdad
Das Vorhaben hat die Unterstützung der Amerikaner und der Kurden. Nujefi rechnet auch mit der Zustimmung Bagdads. «Wir haben erste Waffen vom Innenministerium erhalten», sagt er. Das sei ein Anfang.
In Bagdad ist seit ein paar Wochen auch ein neuer Verteidigungsminister im Amt: Khaled al Obeidi kommt aus Mossul. Er ist ein enger Weggefährte von Gouverneur Nujeifi. Sein Sohn, der Fernsehdirektor, sieht auch darin ein Zeichen der Hoffnung.
Noch aber ist Iraks zweitgrösste Stadt fest unter dschihadistischer Kontrolle. Und das Ninawa von Morgen nur ein Fernsehkanal.