An der Hauptstrasse von Dohuk ist das Geschäft eingebrochen und im Restaurant Batman erinnert sich Jalal noch genau an die ungewissen Tage im August. Damals waren die Terrormilizen von IS bis zum Damm des Mosulstausees vorgerückt: keine dreissig Kilometer Luftlinie von der kurdischen Stadt entfernt.
Die Leute packten schon ihre Sachen und hatten Angst, dass die Dschihadisten auch hier in Dohuk kurdische Frauen und Kinder entführen würden, sagt Jalal. Tagelange amerikanische Luftangriffe waren nötig, um die Dschihadisten nur schon ein paar Kilometer Richtung Mosul zurückzudrängen.
Zehntausende kurdische Jesiden flohen gleichzeitig unter dramatischen Umständen aus dem Sinjargebirge. Viele kamen in die Gegend von Dokuk. Die Stadt ist voller Flüchtlinge. Es ist eine Belastung für die nördlichste Provinz der autonomen Kurdenregion. «Aber was sollen wir machen, wir können die Flüchtlinge doch nicht in den Tod zurückschicken», sagt Jalal.
Kurden wollen vorgelagerte Zonen zurückerobern
Die offizielle kurdische Autonomiezone gilt nun als sicher. Gekämpft wird in den vorgelagerten Zonen, wo die Bevölkerung zum Teil kurdisch und arabisch gemischt ist. Die Kurden betrachten diese sogenannt umstrittenen Gebiete ebenfalls als kurdisch. Noch haben sie längst nicht alle zurückerobert.
Die Fahrt von Dohuk Richtung Süden dauert eine Stunde länger als üblich. Die Lastwagen aus der Türkei schleppen sich über eine kurvige Landstrasse, immer wieder gebremst durch Checkpoints. Die Hauptachse via die Tigrisebene ist gesperrt, weil das Gebiet in der Hand der Dschihadisten ist.
Am Radio läuft eine Hymne auf den Peschmerga, den kurdischen Kämpfer, der den Tod nicht fürchtet. Patriotische Beschwörungen von Einheit und Heldenmut, die übertönen, dass es unter den Kurden keine wirkliche Einheit gibt. Allein das nordirakische Kurdengebiet zerfällt in zwei Lager: Das von Masoud Barzani unterhält gute Beziehungen zur Türkei und das von Jalal Talabani solche zum andern grossen Nachbarn, Iran.
Ursprünglich verfeindete Lager kämpfen gemeinsam
Beide Lager haben sich zusammengerauft, um die kurdische Autonomie im Nordirak zu ermöglichen. Bis heute aber unterhalten beide je ihre eigene Peschmerga. Es gibt kein einheitliches Militärkommando. Im Hauptquartier in Kirkuk zeigt der Pschmerga-Kommandant auf der grossen Karte den Frontverlauf: Von hier bis zur iranischen Grenze haben die Talabani-Kräfte das Sagen.
Die internen Spannungen kommentiert Aso Mamand nur noch knapp: «Als die Terrormilizen von IS im Norden reihenweise Peschmerga-Stellungen überrannten, da waren unsere Brüder dort wohl nicht genügend vorbereitet und haben die Lage etwas falsch eingeschätzt», sagt er. Vom Norden kam der Vorwurf zurück, die Peschmerga hier im Süden machten gemeinsame Sache mit den berüchtigten schiitischen Milizen aus Bagdad und würden militärisch unterstützt von Iran. «Wir dulden keine Menschenrechtsverletzungen», beteuert der Peschmerga-Kommandant in Kirkuk.
Gräueltaten kostet den IS Rückhalt
Hier um Kirkuk ist die Lage ruhig. Weiter südlich aber wird heftig gekämpft. Die Dschihadisten haben mit den Luftangriffen ihre Taktik angepasst. Sie bewegen sich nur noch in kleineren Einheiten und mischen sich unter die Zivilisten. «Das Risiko für die Flugzeuge, Unschuldige zu treffen, steigt damit», sagt der Peschmerga-Kommandant.
Insgesamt aber glaubt Mamand, dass mit den Gräueltaten der Terrormiliz auf der andern Seite der Front deren Rückhalt in der Bevölkerung schwächer werde. Während die dschihadistische Bedrohung diesseits der Front die Kurden näher zusammenrücken lässt.
Auch Talabani-Partei zeigt sich versöhnlich
In Erbil, in der Zentrale der andern Partei, ist der Ton ebenfalls versöhnlicher. Selbst mit den syrischen Kurden bemühe sich Präsident Barzani um eine ganz neue Form der Zusammenarbeit, sagt Ali Hussein, Barzanis Parteichef von Erbil. Dass Peschmerga ins umkämpfte Kobane in Syrien gesandt wurden, soll das unterstreichen.
Bei Dohuk melden die kurdischen Truppen unterdessen neue Fortschritte. Auch auf der andern Seite des Mosuldamms hätten sie einige Dörfer zurückerobert, erneut mit massiver amerikanischer und auch französischer Luftunterstützung. Werden die Peschmerga sie diesmal wirklich halten können? Die Kurden geben sich überzeugt.