Nach knapp einem halben Jahr Ruhe eskaliert die Gewalt im Nordirland-Konflikt wieder. Vor allem protestantische Krawallmacher lieferten sich im Norden der nordirischen Hauptstadt Belfast bereits die dritte Nacht in Folge Strassenschlachten mit der Polizei. Dabei wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 44 Beamte verletzt. Rund 50 Menschen wurden festgenommen.
Anhänger des protestantischen Oranierordens warfen mindestens 50 Molotow-Cocktails auf Polizisten. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern und Gummigeschossen. Ein Polizeisprecher bezeichnete das Verhalten der Demonstranten als «animalisch».
Der nordirische Regierungschef Peter Robinson forderte ein Ende der Gewalt. «Es ist sehr wichtig, dass die Leute einen kühlen Kopf bewahren», sagte Robinson. Einzig zulässig sei der «legale und friedliche Protest».
Marsch verhindert
Auslöser der Unruhen ist das Verbot, einen Marsch der protestantischen Oranier durch eine Strasse im Norden Belfasts führen zu lassen. Die Teilnehmer wollten das katholische Viertel Ardoyne im Norden Belfasts durchqueren – eine einstige Hochburg der verfeindeten Irisch-Republikanischen Armee (IRA).
Die meisten Katholiken betrachten dies als Provokation und als Versuch der Einschüchterung. Diese Ansicht wird dadurch verstärkt, dass die Umzüge oft von Tambouren- und Pfeiferverbänden (auch «kick the pope»-Bands genannt) begleitet werden, die oftmals anti-katholische Lieder während der Umzüge spielen.
Dieses Jahr hatte die sogenannte Paradenkommission den Oranierorden erstmals zu Kompromissen gezwungen und diesem untersagt, die Route durch Ardoyne zu benutzen. Damit sollten Zusammenstösse wie in den vergangenen Jahren vermieden werden. Um das Verbot durchzusetzen, setzte die nordirische Polizei über 4400 Beamte ein. Rund 1000 zusätzliche Beamte aus England, Wales und Schottland waren angefordert worden.
Der Oranierorden schiebt nun die Schuld an der Gewalt auf die Kommission. «Die Organisation der Oranier soll zum Prügelknaben gemacht werden, von denen, bei denen die Verantwortung für diese Krise in Wahrheit liegt – vor der Tür der Marschkommission», heisst es in einem Statement des Ordens.
Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich
In der britischen Region Nordirland bekämpfen sich seit Jahrzehnten London-treue Protestanten und katholische Republikaner, die Nordirland als Teil der Republik Irland sehen wollen. In den 30 Jahren der Gewalt wurden fast 4000 Personen getötet.
Das Karfreitags-Abkommen von 1998 hatte zu einer deutlichen Entspannung der Situation geführt. Dabei wurde die Macht zwischen Protestanten und Katholiken neu verteilt, republikanische und protestantische paramilitärischen Truppen erklärten sich zur Entwaffnung bereit.
Unmut der Protestanten
Doch der Grossteil von Belfast ist weiterhin tief gespalten. Die Lage war zuletzt im Januar eskaliert, nachdem der Rat beschlossen hatte, auf dem Belfaster Rathaus die britische Flagge nur noch an Feiertagen wehen zu lassen. Daraufhin hatten sich protestantische Demonstranten wochenlang Kämpfe mit der Polizei geliefert.
Die protestantische, pro-britische Arbeiterschaft – einst in Nordirland gegenüber den katholischen Iren klar bevorzugt – fühlt sich seit dem Friedensschluss von 1998 benachteiligt. Nordirland wird seither von einer Doppelspitze aus Protestanten und Katholiken regiert.