Schwere Gefechte beim Vormarsch der Regimetruppen in Nordsyrien zwingen Zehntausende Bewohner der Region um die Grossstadt Aleppo zur Flucht in Richtung Türkei. Bis zu 30'000 syrische Flüchtlinge harren nahe der geschlossenen Grenze am Übergang Bab al Salam sowie in der Stadt Asas nur wenige Kilometer vom türkischen Staatsgebiet entfernt aus, wie das UNO-Büro für Nothilfekoordinierung (OCHA) in Amman der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Ob und wann die Menschen in die Türkei eingelassen werden würden, ist unklar.
Die türkische Regierung rechnet mit bis zu 70'000 Flüchtlingen aus der Region um Aleppo. Das Land hat mit 2,5 Millionen Menschen die meisten Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufgenommen.
Assad und Russen verfolgen klare Strategie
Truppen des syrischen Regimes rücken in Nordsyrien mit russischer Luftunterstützung weiter vor. Mit verbündeten Kämpfern der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen Einheiten eroberten sie die Stadt Ratjan nördlich von Aleppo zurück.
SRF-Korrespondent Pascal Weber zufolge verfolgen Assad und die mit ihm verbündeten Russen eine klare Strategie: «Sie erobern Schritt für Schritt die zuvor verloren gegangenen Grenzübergänge zurück. Damit schneidet Assad seinen Gegnern die Versorgungslinien ab.» Für Weber steht fest: «Wenn Assads Truppen in absehbarer Zeit die strategisch bedeutsame und symbolisch enorm wichtige Grosstadt Aleppo zurückgewinnen wird, dann ist das ein entscheidender Sieg.»
Dennoch glaubt Weber nicht, dass der syrische Machthaber imstande ist, ganz Syrien zurück zu erobern: «Auch die Gebiete, die er jetzt zurück erobert, wird Assad kaum je wieder vollständig kontrollieren können. Dort wird er vielmehr ein Besatzer im eigenen Land sein.»
Zeltlager an türkischer Grenze
Angesichts der Kämpfe und der Bevölkerungsflucht im Norden Syriens bereiten sich die Behörden in der Türkei auf die Ankunft zehntausender Flüchtlinge vor. In der Nähe des Grenzübergangs Öncüpinar habe das türkische Amt für Katastrophenschutz Afad ein neues Zeltlager errichtet, meldeten türkischen Medien.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Donnerstag an der Syrien-Geberkonferenz in London, dass die Türkei auch die neuen Flüchtlinge ins Land lassen werde.
Nato droht Russland
Inzwischen hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Russland vorgeworfen, den Konflikt in Syrien anzuheizen. «Die intensiven russischen Luftangriffe gegen die Rebellen untergraben die Bemühungen, den Konflikt politisch zu lösen», sagte Stoltenberg am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Amsterdam.
Russland beteuerte seinerseits, man bemühe sich weiterhin um eine friedliche und politische Lösung. Zugleich unterstütze man die «legitime Führung Syriens in ihrem Kampf gegen den Terrorismus». Russland meint damit die Al-Nusra, eine salafistische Gruppe mit engen Kontakten zu Al-Kaida. Die Opposition sollte es begrüssen, wenn diese Terroristen bekämpft werden, sagte der russische UNO-Botschafter in Genf, Alexej Borodawkin.
Option militärisches Eingreifen gegen IS?
Saudi-Arabien wäre bereit, sich an einer Bodenoffensive gegen den Islamischen Staat in Syrien zu beteiligen, wenn sich die von den USA angeführte Koalition dazu entscheide. Das sagte der saudische Brigadegeneral Ahmed Asseri dem Fernsehsender Al-Arabija.
Gemäss SRF-Korrespondent Pascal Weber geht es Saudi-Arabien dabei aber weniger um den IS, als vielmehr um seinen Einfluss in Syrien: «Mit der Rückeroberung Aleppos droht Saudi-Arabien und auch der Türkei eine vollständige Niederlage im Konflikt.» Diese sei nach Ansicht Saudi-Arabiens nur abzuwenden, wenn eine aussenstehnde Macht eingreife oder wenn Russland dazu gebracht werden könne, dem Assad-Regime seine Unterstützung zu entziehen.