Wer hätte das gedacht? Nach dem Verzicht auf das Rennen um die Nachfolge von Premierminister David Cameron, wird Boris Johnson nun unter Regierungschefin Theresa May britischer Aussenminister. Für SRF-Korrespondent Peter Balzli will May damit ein Zeichen setzen: «Sie will die Brexit-Befürworter in die Verantwortung nehmen. Etwas salopp gesagt, sagt sie, ihr könnt jetzt selber auslöffeln, was ihr uns eingebrockt habt.»
Die britische Presse nenne die Berufung Johnsons eine grosse Überraschung oder gar einen Schock, erklärt Balzli weiter.
Johnson will den «Willen des Volkes umsetzen»
Boris Johnson selber hat in seiner ersten öffentlichen Äusserung nach seiner Ernennung zum Aussenminister versichert, dass Grossbritannien auch nach dem EU-Austritt Teil Europas bleiben werde.
Nach dem Brexit-Referendum müsse «der Wille des Volkes» nun umgesetzt werden, sagte Johnson vor dem Aussenministerium in London. «Das bedeutet aber keineswegs, Europa zu verlassen.»
Es gebe einen grossen Unterschied zwischen dem Austritt aus der EU «und unseren Beziehungen zu Europa», die allenfalls «intensiviert» würden, sagte Johnson nach seinem ersten «sehr, sehr arbeitsreichen» Tag im Aussenministerium.
Skepsis aus Deutschland und Frankreich
Bei Amtskollegen stösst die Berufung des Brexit-Wortführers zum Chef des Aussenministeriums dennoch auf Skepsis.
«Während des Wahlkampfs hat er das britische Volk immer wieder angelogen und jetzt ist er es, der mit dem Rücken zur Wand steht (...). Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich verhandeln kann und der eindeutig, glaubwürdig und verlässlich ist», sagte Frankreichs Aussenminister Jean-Marc Ayrault im Hörfunksender «Europe 1».
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier meinte zur «Bild am Sonntag», dass seine erfolgreiche europaskeptisch Politik nun nicht mehr ausreiche: «Jetzt stehen völlig andere politische Aufgaben im Vordergrund. Es geht darum, jenseits des Brexits aussenpolitische Verantwortung zu übernehmen.»
Peter Balzli führte während seiner Zeit als Grossbritannien-Korrespondent (2007-2013) mehrere Interviews mit dem damaligen Bürgermeister von London. Er traut Johnson zu, auch als Aussenminister gute Arbeit zu machen. «Er ist ein sehr sympathischer Mann mit einer offenen gewinnenden Art. Ich denke, er ist ein richtiger Mann für diesen Job.
Brexit-Befürworter nun in der Pflicht
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Die neue Premierministerin May hat für ihr Kabinett sowohl Befürworter als auch Gegner des Brexit berücksichtigt. Für Balzli wird dies die Verhandlungen mit der EU aber nicht vereinfachen: «In Brüssel sind die Briten derzeit unten durch.»
Eine Stellungnahme von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fiel denn auch wenig euphorisch aus: «Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts zeigt (...), dass es weniger um die Zukunft des Landes geht als um die Befriedung und den inneren Zusammenhalt der Tory Party», sagte Schulz in der «Süddeutschen Zeitung».
In Grossbritannien selber punkte May aber sehr wohl, hält Balzli fest. Denn auch nach ihrem Amtsantritt und der Besetzung des neuen Kabinetts habe sie betont, dass der Brexit dem Volkswillen entsprechend umgesetzt werde. Nun habe sie mit der Besetzung ihres Kabinetts auch die Befürworter in die Pflicht genommen.