Der Angriff vom 7. Oktober begann im Morgengrauen: Terrorkommandos der Hamas infiltrierten Israel und richteten in Dörfern und Kibbuzim um den Gazastreifen ein Blutbad an. Allein im Kibbuz Be'eri töteten sie über 100 Menschen und verschleppten mehr als 30 nach Gaza. Stundenlang mussten sich die Bewohner selbst verteidigen, bis die Armee vor Ort war und den Kampf gegen die Hamas aufnahm.
«Wir waren nicht vorbereitet»
In einem ersten Untersuchungsbericht zum 7. Oktober hat die israelische Armee nun die Ereignisse rund um den Kibbuz Be'eri genauer unter die Lupe genommen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Befehlsketten und die Kommunikation nicht reibungslos funktioniert haben. Das habe zu mehreren Zwischenfällen geführt, bei denen Sicherheitskräfte sich zwar beim Eingang des Kibbuz versammelt hätten, jedoch ohne sofort in den Kampf einzugreifen.
An diesem Tag hat es die Armee nicht geschafft, die Bevölkerung Israels zu schützen.
Ausserdem habe man schlicht nicht mit einem Angriff dieser Grössenordnung gerechnet: «Wir waren nicht auf den mörderischen Anschlag der Hamas vorbereitet», sagt Armeesprecher Daniel Hagari. «An diesem Tag hat es die Armee nicht geschafft, die Bevölkerung Israels zu schützen.»
Im Kibbuz Be'eri ist die Verwüstung bis heute sichtbar. Trotz selbstkritischer Worte der Armee trauen hier längst nicht alle dem Militärbericht – und fordern eine unabhängige Untersuchung: «Die Armee hat den Untersuchungsbericht erstellt – und nicht etwa die Polizei oder der Staat», sagt Kibbuz-Mitglied Meir Zarbiv, der beim Hamas-Massaker seine Schwester und seinen Bruder verloren hat.
Untersuchung verzögert
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will aber erst nach dem Ende des Gazakriegs eine staatliche Untersuchung. Das sorgt in Israel zunehmend für Unmut – auch in Netanjahus Likud-Partei.
Zwischen Verteidigungsminister Joaw Galant und Ministerpräsident Netanjahu hängt der Haussegen schon länger schief. Galant ist gestern nun Netanjahu während einer Militärzeremonie öffentlich in den Rücken gefallen. Galant forderte eine staatliche Untersuchungskommission, die auch die politischen Entscheidungsträger unter die Lupe nimmt: «Die Untersuchung muss auch mich als Verteidigungsminister überprüfen. Ebenso den Ministerpräsidenten, den Stabschef und den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet.»
Der Druck auf Netanjahu wird also grösser. Israels Armee will in den nächsten Wochen weitere Untersuchungsberichte zum 7. Oktober veröffentlichen – die unter anderem beleuchten sollen, welche Fehler bei der Armee im Vorfeld des Hamas-Angriffs passiert sind. In den vergangenen Monaten hatten bereits verschiedene Medien berichtet, dass die Armee im Vorfeld des Hamas-Massakers Warnungen ignoriert hatte.