Al-Kaida-Ableger Isis
Bestürzt und überfordert: Die internationale Diplomatie hat den Vormarsch der radikalen Islamisten im Irak nicht erwartet. Sie reagiert entsprechend hilflos.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief am Mittwochabend vage zu Einheit und internationaler Solidarität auf. Die USA versprachen der irakischen Regierung militärische Unterstützung im Kampf gegen die Isis, die Terrorgruppe Islamlischer Staat im Irak und in Syrien. Konkret wurde die US-Regierung dabei aber nicht.
Isis-Kämpfer rücken vor
Unterdessen sind die aufständischen Dschihadisten am Donnerstag bis auf 60 Kilometer an die Hauptstadt Bagdad herangerückt. Die Kämpfer der sunnitischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) eroberten die Stadt Dhuluijah, nördlich von Bagdad.
Das berichteten übereinstimmend ein Stadtrat, die Polizei und Augenzeugen. Isis-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani kündigte an, die Isis-Einheiten würden weiter auf Kerbela und nach Bagdad vorrücken.
Die Isis-Einheiten umgingen bei ihrem Vormarsch am Donnerstag die Stadt Samarra, nachdem sie am Mittwoch mit dem Versuch gescheitert waren, die Stadt zu erobern. Bei ihrer Blitzoffensive hatten die Dschihadisten in den vergangenen Tagen die Millionenstadt Mossul und Tikrit eingenommen. Hunderttausende Iraker flohen vor den Kämpfen. Isis kämpft auch gegen die Regierung im benachbarten Syrien und will die eroberten Gebiete über die Grenze hinweg zu einem islamischen Staat verschmelzen.
Wie stark ist die irakische Armee?
In Bagdad trat das Parlament derweil zu einer Krisensitzung zusammen. Die Abgeordneten wollten über einen Antrag von Ministerpräsident Nuri al-Maliki beraten, den Ausnahmezustand auszurufen.
Al-Maliki beschwört unterdessen die kampfbereitschaft seiner Armee. Er spricht vom baldigen Sieg seiner Truppen. In der Realität sieht es anders aus: Die irakische Armee hat den Dschihadisten wenig entgegenzusetzen. Mossul und Tikrit werden von der Isis kontrolliert. Nicht klar ist die Lage in Baidschi, wo die grösste Ölraffinerie des Landes steht. Kurdische Peshmergas sollen sich bereit erklärt haben, an der Seite der irakischen Armee gegen die Dschihadisten zu kämpfen, melden Nachrichtenagenturen.
Kurdischen Angaben zufolge hat die irakische Armee die Öl-Stadt Kirkuk im Norden des Landes aufgegeben. Kurdische Sicherheitskräfte hätten die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht, teilte einer ihrer Sprecher mit. Die irakische Regierung hatte angekündigt, zusammen mit der Regionalregierung in Kurdistan die Rebellen zu bekämpfen.
Türkei prüft Militäreinsatz
Nach der Geiselnahme von 80 türkischen Staatsbürgern durch Islamisten im Irak prüft die Regierung in Ankara die rechtlichen Voraussetzungen für einen Militäreinsatz im Nachbarland. «Die Diskussion dreht sich unter anderem um die Frage, ob das bisherige Mandat ausreicht oder ob ein neues Mandat benötigt wird», sagte Justizminister Bekir Bozdag. Derzeit arbeite die Regierung aber nicht an einem neuen Mandat.
Das türkische Parlament hat die Regierung dazu ermächtigt, das Militär gegen kurdische Rebellen im irakischen Grenzgebiet einzusetzen. Dieses Mandat läuft im Oktober aus.
Isis nimmt türkische Geiseln
Die 80 Türken waren in den vergangenen Tagen von Kämpfern der Islamistengruppe Isil verschleppt worden. Bei einem Angriff auf das türkische Konsulat in Mossul wurden am Mittwoch 49 Menschen verschleppt, darunter der Konsul mit seiner Familie sowie Spezialeinsatzkräfte der Armee. Bereits am Dienstag hatten die Islamisten 31 türkische Lastwagenfahrer in der zweitgrössten irakischen Stadt entführt. Die Terroristen hätten die Männer wieder freigelassen, berichteten türkische Medien am Donnerstag. Außenminister Ahmet Davutoglu drohte mit Vergeltung, sollte den Geiseln etwas zustoßen.
Das nur 120 Kilometer von der türkischen Grenze entfernte Mossul ist für die Türkei historisch und politisch von grosser Bedeutung: Die Türkei versteht sich als Schutzmacht der turkmenischen Minderheit dort. 500'000 Einwohner sind seit der Eroberung durch die Isis am Dienstag aus Mossul geflohen.