- Die französische Regierung will Schülerinnen das Tragen von Abayas verbieten.
- Das teilte Bildungsminister Gabriel Attal im Fernsehen mit.
- Abayas sind lange und luftige traditionell islamische Übergewänder.
«Man wird keine Abayas mehr tragen können», sagte Bildungsminister Gabriel Attal am Sonntagabend im Sender TF1. Das erscheine ihm notwendig und gerecht. In Frankreich war zuletzt eine Debatte darüber entfacht, ob die Gewänder eindeutig religiös sind und deshalb in der Schule verboten werden sollten.
Frankreich versteht sich als laizistisches Land, in dem Staat und Religion strikt getrennt werden. Im Land mit rund 67 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern leben Schätzungen zufolge zwischen 3.5 und 6 Millionen Musliminnen und Muslime.
Bereits 1994 trat ein Gesetz in Kraft, das in Schulen nur noch diskrete – nicht aber auffällige – religiöse Symbole erlaubte. Zehn Jahre später wurden Kopftücher in Schulen vollständig verboten – Kippa und Kreuz allerdings nicht. 2010 folgte das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit.
Nach Ansicht von SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll wähnt sich Attal auf dem Pfad der Gerechtigkeit, «weil damit die Laizismus-Gesetze von 1905 erfüllt werden», sagt Voll. Für notwendig halte der Bildungsminister den Schritt, damit Schüler und Schülerinnen eben nicht auf den ersten Blick sähen, wer welche Religion habe.
Darüber, ob die Abaya überhaupt ein religiöses Kleidungsstück ist, scheiden sich in Frankreich die Geister. Der französische Rat der Muslime etwa bestreitet diesen Zusammenhang. Attal sieht das anders. Laut ihm lasse dieses Kleidungsstück eindeutig auf die Religionszugehörigkeit schliessen. Zu Konflikten führe dabei die Tatsache, so Voll, dass das männliche Pendant ebenso oft zu sehen sei, auch in Schulen, dass aber der Qamis nicht verboten sei.
Offenbar verschärft sich die Debatte vor dem Hintergrund steigender Laizismusverstösse in Frankreichs Schulen. Seit fünf Jahren werden die Fälle offiziell gezählt. Diese Zählungen zeigten einen starken Anstieg. «Und die Abaya hat daran einen grossen Anteil», erklärt der Korrespondent. Vor einem Jahr lag der Anteil an Verstössen durch die Abaya noch bei 15 bis 20 Prozent, dieses Jahr seien es bereits 40 Prozent.
Viele muslimische Länder haben ihre Mühe mit Frankreichs strengem Laizismus.
Voll hält den Schritt nicht für ein bewusstes Zugeständnis der Regierung Macron an die Rechte des Landes, sondern für einen pragmatischen Schritt vor Schulbeginn. «Die Lehrer und Lehrerinnen möchten klare Regeln, jetzt können sie sich auf den Bildungsminister berufen», sagt Voll.
Die Gesellschaft wird dieses Verdikt Attals innenpolitisch weiter spalten. Und auch aussenpolitisch dürfte dem Land einiges an Kritik entgegenbranden, sagt Voll. «Nicht nur die Länder Afrikas, sondern zum Beispiel auch die Türkei haben ihre Mühe mit Frankreichs strengem Laizismus.»