Bethlehem, der Ort wo Jesus laut der Bibel geboren wurde, bereitete sich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder auf Weihnachten mit Besucherinnen und Besuchern aus dem Ausland vor. Anfang November hatte Israel seine Grenzen endlich wieder geöffnet – nicht einmal vier Wochen lang, dann kam «Omikron». Eine Katastrophe für die sechzig Prozent der Bevölkerung, die vom Tourismus leben.
Mitternachtsmesse 2019: da war die Welt noch in Ordnung
Fast anderthalb Millionen Pilger und Touristinnen kamen in der Weihnachtszeit 2019 nach Bethlehem. Am Heiligabend war die Geburtskirche zum Bersten voll, aber dass damals die vorläufig letzte Stunde für den Weihnachtsrummel in Bethlehem schlug, ahnte niemand.
Am 5. März 2020 wurden in Bethlehem die ersten sieben Corona-Fälle in den besetzten Palästinensergebieten entdeckt: Die palästinensische Autonomie-Regierung rief die Notlage aus. Seither ist die Stadt mit ihren rund 30'000 Einwohnerinnen und Einwohnern weitgehend von der Aussenwelt abgeschnitten.
«Keine Seele, nur Kälte, Einsamkeit und Angst»
«Die Stadt sieht aus wie die Geburtsgrotte Jesu», sagt der Gemeindepfarrer Pater Rami Asakrieh und meint damit: leer und kalt. Auf der Webseite der Kirchgemeinde Bethlehem steht denn auch: «Bethlehem ist geschlossen und sucht Mitgefühl und Gnade.» Trist war Weihnachten schon vor einem Jahr, sagt Pater Rami. «Da war keine Seele, nur Kälte, Einsamkeit und die Angst vor der Pandemie und ihren Folgen», sagt der Geistliche. Corona sei, weiss Gott, nicht Bethlehems erste Krise.
In 2000 Jahren viele Krisen erlebt: aber keine wie diese
«Wir erlebten hier den blutigen Palästinenseraufstand, Krieg, Erdbeben, Seuchen: aber so wie jetzt war die Situation nie. Es sind mehr Menschen gestorben als bei den anderen Katastrophen», sagt Pater Rami.
In den Palästinensergebieten starben seit Beginn der Pandemie fast 5000 Menschen an Corona, einige Hundert davon in Bethlehem. Noch mehr zugenommen hat die Armut in dieser ohnehin schon armen Stadt. Alternativen zum Tourismus gibt es kaum, Industrie hat Bethlehem keine. Seit zwei Jahren gebe es in dieser Branche statt Arbeit nur noch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, stellt der Seelsorger fest.
Weihnachtswunsch: Hoffnung
Viele suchten Arbeit in Israel, aber das sei nicht einfach, sagt Pater Rami. «Bethlehem ist von einer Mauer eingeschlossen. Wer hinaus möchte, braucht eine Bewilligung. Israel ist mit Bewilligungen sehr restriktiv und gibt diese nur noch für Menschen, die dreimal gegen Corona geimpft wurden.»
Trotz der Not: in die Kirche kämen deswegen nicht mehr Menschen, wie man in einer Krise vielleicht vermuten würde, sagt Pater Rami. «Gläubige vertiefen in dieser Zeit ihren Glauben, und Nicht-Religiöse wollten vielleicht beten. Aber wenn man seine Kinder nicht ernähren kann, ist es schwierig, spirituell stark zu sein.»
Pater Rami sagt, die Menschen von Bethlehem wünschten sich zu Weihnachten eigentlich nur etwas: Hoffnung. Die versucht Pater Rami seiner Gemeinde zu geben: Bethlehem ist dekoriert, daran erfreut sich die christliche und muslimische Bevölkerung gleichermassen. Und: Immerhin habe Bethlehem die Geburtsgrotte – jenen Ort, wo fürs Christentum vor mehr als 2000 Jahren die Hoffnung geboren worden sei.