Festlich gekleidete Kinder rennen an einem heissen Nachmittag im August zum Haus der Familie Bashir im Quartier Jabal al-Mukaber in Ostjerusalem. Eltern, Nachbarn und Verwandte der Familie folgen ihnen. Mosa Bashirs ältester Sohn hat geheiratet. Der stolze Vater, ein palästinensischer Bürger Jerusalems, begrüsst die Gäste.
Das Hochzeitsfest ist für den 50-jährigen Bauarbeiter Mosa Bashir ein freudiges und zugleich beklemmendes Ereignis. Seine Familie wächst, aber damit wird auch der Wohnraum knapp. Alle Versuche, auf dem Land seines Vaters zu bauen, sind nämlich gescheitert.
Das schmale, einstöckige Haus nebenan wollte er vor zwei Jahren für seine gehbehinderte Mutter vergrössern. Legal sei das jedoch nicht möglich, sagt er und erzählte, wie es dazu kam.
Geld für hohe Gebühren zusammengekratzt
«Das ganze bürokratische Prozedere für eine Baubewilligung kostet um die 400'000 Schekel, rund die Hälfte davon müssen wir Palästinenser bar bezahlen», erklärt Mosa Bashir.
Umgerechnet um die 50'000 Franken bar auf den Tisch. Das blättert man bei einem Angestelltensalär von monatlich 1700 Franken nicht einfach so hin.
Trotzdem hat er es versucht: Die Quittungen für seine Zahlungen von Zehntausenden Schekel an die Gemeinde hat er aufbewahrt. Aber mit der Baubewilligung ging es auch nach mehr als einem halben Jahr nicht vorwärts. Also baute Mosa Bashir ohne Bewilligung: «Es ist schliesslich mein Land.»
Abrisskosten und Busse kamen dazu
Nach einem Jahr kamen die Gemeindebehörden und stellten ihn vor die Wahl: 70’000 Schekel Abrissgebühren bezahlen oder selber einen Bulldozer mieten und den Anbau selbst zerstören.
Dazu kam eine saftige Busse von 30'000 Schekel: «Weder meine Mutter noch ich haben genug Geld, um das zu bezahlen», sagt Mosa Bashir bitter.
Das Hochzeitsfest ist in vollem Gang. Mosa Bashir fragt sich, wo seine Kinder und Enkel alle einmal wohnen sollen, wenn er auf seinem Land nicht bauen darf: «Sie wollen nicht, dass wir Palästinenser in Jerusalem bauen. Sie wollen, dass wir ausziehen, nach Bethlehem, möglichst weit weg.»
Sie wollen nicht, dass wir Palästinenser in Jerusalem bauen. Sie wollen, dass wir ausziehen, nach Bethlehem, möglichst weit weg.
Alles Lügen?
Vergeben oder abgelehnt werden Baubewilligungen im Rathaus von Jerusalem. Gegen Klagen wie jene von Mosa Bashir verwahrte sich Vizebürgermeister Arieh King im letzten August gegenüber SRF: «Wer Ihnen solches erzählt, ist ein Lügner», erklärte der nationalistische Politiker, der sich für jüdische Siedlungen in Jerusalem einsetzt.
Auf seinem Computer öffnet er eine Website mit einer Karte Ostjerusalems mit den erteilten Baubewilligungen – mit der Aufforderung, auf ein beliebiges Grundstück zu zeigen. Auf dem angeklickten Grundstück ist der Besitzername arabisch. Die gemeindeeigenen Zahlen zeigen aber auch: Jüdische Baugesuche werden in Jerusalem doppelt so häufig bewilligt wie solche der arabischen Bevölkerung.
Klare demografische Vorstellungen
Seinen Wunsch für die demografische Entwicklung Jerusalems formuliert der Vizebürgermeister unverblümt: «Ich will ein grösseres Jerusalem, unter israelischer Souveränität, mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit von über 70 Prozent.» In Jerusalem sind heute 62 Prozent der Bevölkerung jüdisch, 38 Prozent arabisch und grossmehrheitlich muslimisch.
Ich will ein grösseres Jerusalem, unter israelischer Souveränität, mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit von über 70 Prozent.
Erst vor einer Woche haben die Gemeindebehörden Baupläne in einer völkerrechtswidrigen jüdischen Siedlung in Jerusalem bewilligt. Gleichzeitig haben die israelischen Behörden dieses Jahr im Schnitt pro Woche zwei palästinensische Häuser abgerissen, die ohne Bewilligung gebaut wurden.