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Italien: Neue Sozialhilfe weckt Hoffnung
Aus Rendez-vous vom 06.03.2019. Bild: Keystone
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Italiens neues Bürgergeld Ein Anreiz, die Arbeit aufzugeben?

Cinque Stelle versprach, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Stattdessen hat die Regierungspartei die Sozialhilfe ausgebaut.

Ein grosses Postbüro an einer schäbigen, mit Abfall übersäten Strasse in der Nähe des Hauptbahnhofs von Neapel. Noch bevor die Postschalter öffnen, warten bereits etwa 20 Leute vor dem Eingang, vor allem Männer.

Seit dieser Woche kann man auf der Post einen Antrag einreichen, um dann ab Anfang Mai den Reddito di Cittadinanza, das neue Sozialgeld, zu erhalten. Eine grosse Hilfe sei das, sagt ein etwa 50-jähriger Familienvater. Bisher habe ihm niemand geholfen.

Offene Stellen sind im Süden rar

Bis zu 780 Euro monatlich beträgt das Bürgergeld für Alleinstehende, Familien erhalten bis zu 1330 Euro. Eine Massnahme gegen die Armut, sagt ein gut 20-Jähriger. Er weiss, dass nur jene das Sozialgeld erhalten, die sich schriftlich verpflichten, Arbeit zu suchen.

«Die Gemeinde kann dich für gemeinnützige Arbeit aufbieten. Und wenn dir das Arbeitsamt eine Stelle anbietet, dann musst du sie auch annehmen», erklärt der Mann die Spielregeln der neuen Sozialhilfe.

Bedürftige stehen Schlange vor einem Postbüro
Legende: Für das Bürgergeld stehen 2019 sechs Milliarden Euro zur Verfügung. Bei rund fünf Millionen Bedürftigen ergäbe das im Schnitt 130 Euro pro Kopf und Monat. Keystone

Nur: Hier im Süden gibt es sehr wenige offene Stellen, viele Menschen sind seit Jahren, manchmal schon seit Jahrzehnten ohne feste Stelle: «Mit 18 habe ich mich beim Arbeitsamt eingeschrieben», sagt ein etwa 50-jähriger Mann. Doch er habe nie in seinem Leben eine feste Stelle bekommen, nur Gelegenheitsjobs, ohne Vertrag, also schwarz.

Die Schwarzarbeit ist vor allem im Süden Italiens weit verbreitet. Es besteht die Gefahr, dass diese Leute, die schwarz arbeiten, sich ab heute trotzdem bei den Postbüros melden, um zusätzlich und illegal auch das Sozialgeld zu beantragen. Einer in der Warteschlange hat genau darauf eine Antwort: Bis zu sechs Jahre Gefängnis drohe den Betrügern, den Schlaumeiern.

Arbeiten zahlt sich nicht in jedem Fall aus

Doch gibt es genügend Kontrolleure, um diesen von vielen befürchteten Missbrauch tatsächlich zu verhindern? Eine Frage, die in der Warteschlange nicht gross diskutiert wird. Hier dominiert die Hoffnung: «Für uns Junge ist die Sozialhilfe eine Chance», sagt eine knapp 30-jährige Frau, die hofft, dass sie 780 Euro im Monat bekommt und dass ihr das Arbeitsamt dann auch wirklich Job-Angebote unterbreitet. Denn sie hat trotz abgeschlossener Ausbildung nie eine Stelle gefunden.

Hier in Neapel arbeiten viele Junge im Tourismus, in Restaurants oder Bars. Ihr Monatslohn liegt oft unter 780 Euro im Monat, ist oft deutlich tiefer als das neue Sozialgeld. Viele befürchten darum, dass Leute ihren schlechtbezahlten Job aufgeben und stattdessen Sozialhilfe beantragen. Die vergleichsweise grosszügig dotierte Sozialhilfe könnte also Leute aus dem Arbeitsprozess rausreissen, anstatt sie zu integrieren.

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