Premier Giuseppe Conte bezeichnet das neue Vereinfachungsgesetz als ein dringend nötiges Trampolin: Es solle Italien auf die Sprünge helfen. Zum Beispiel beim Bau staatlicher Infrastruktur, bei Autobahnen, Bahnlinien oder Häfen.
Die Regierung hat, so Conte, 130 Bauprojekte ausgewählt, die nun unbürokratisch schnell zu Ende geführt werden sollen. Möglich machen sollen das auch Kommissare, die über Sondervollmachten verfügen. Zu diesen 130 Projekten gehören diverse Bahnlinien, die vor allem den abgehängten Süden des Landes besser erschliessen sollen.
Aber auch kleinere Projekte wolle man deutlich vereinfachen. Bau- oder Sanierungsprojekte, die weniger als fünf Millionen Euro kosten, müssen zumindest vorderhand nicht mehr aufwändig öffentlich ausgeschrieben werden. Der Staat kann kleinere Aufträge direkt an Baufirmen vergeben.
Oft bleiben in Italien solche Projekte auch deshalb jahrelang blockiert, weil Anwohnerinnen und Anwohner rekurrieren. Auch hier werde das Vereinfachungsgesetz Abhilfe schaffen, verspricht Conte: Gewissen Einsprachen werde man die aufschiebende Wirkung entziehen.
App statt Amtsstube
Doch nicht genug. Der Regierungschef versprach noch mehr: Selbst die langen Schlangen vor den Amtshäusern und Amtsstuben sollen auf einen Schlag oder besser, auf einen Klick verschwinden: Über eine App sollen die Italiener vieles von zu Hause aus erledigen können.
Ein Gesetz also, das viele Wohltaten verspricht. Und in der Regierung trotzdem bis zuletzt höchst umstritten blieb. Denn Italiens Bürokratie ist zum Teil auch sehr nützlich. Mitunter ist sie damit beschäftigt, öffentliche Aufträge penibel zu überwachen und zu kontrollieren, damit sich das organisierte Verbrechen möglichst nicht einschleichen kann. Das sei nun in Gefahr.
Das Vereinfachungsgesetz könnte der Mafia und anderen Kriminellen Tür und Tor öffnen, befürchten Kritiker. Auch für sie hat der Premier eine Antwort parat: Das Gesetz werde noch mehr Legalität und Transparenz bringen. Wie das konkret funktionieren soll, liess Conte allerdings offen.
Ein beliebiger Rundumschlag?
Es ist nicht das erste Mal, dass eine italienische Regierung versucht, den Gordischen Knoten der Bürokratie zu zerschlagen. Die Regierung Conte wagt nun einen neuen Anlauf, weil die EU sich anschickt, viele Milliarden Euro nach Italien zu schicken, um dem Covid-gebeutelten Land unter die Arme zu greifen. Diese Brüsseler Milliarden sollen, so die Absicht, möglichst rasch und schnell eingesetzt werden.
Doch eben: Solche Anläufe hat Italien schon oft unternommen. Kritiker monieren, das Gesetz sei ein beliebiger Rundumschlag. Sinnvoller wäre es gewesen, sich aufs Wichtigste zu konzentrieren, Prioritäten zu setzen. Wer Recht hat, ist unklar. Klar aber scheint: Würde auch nur die Hälfte dessen, was das Gesetz verspricht, tatsächlich umgesetzt, Italien wäre schon viel geholfen.