Auf den Jahresbericht der UNO-Abteilung für Infrastruktur, Beschaffung und Projekte, abgekürzt Unops, stürzen sich Medienschaffende in der Regel nicht. Dabei enthält er durchaus Interessantes. Etwas Besonderes grub nun die auf UNO-Themen spezialisierte Webseite «Passblue» aus.
Eine Journalistin durchforstete die jüngste Liste der Länder, bei denen die UNO Waren und Dienstleistungen einkauft, und stellte fest: Russland bleibt selbst nach dem Überfall auf die Ukraine ein bedeutender Lieferant für die Vereinten Nationen. Für 257 Millionen Dollar bezogen sie im Jahr 2022 von dort Leistungen – und damit nur um neun Prozent weniger als im Jahr vor dem Kriegsausbruch. Ignoriert also das UNO-Beschaffungswesen die gravierende russische Völkerrechtsverletzung und geschäftet mit Moskau weiter, als wäre da nichts?
Lebensmittel, Medizin, Helikopter
Zwar sind die Bezüge aus Russland weitaus geringer als etwa jene aus den USA, die rund zehnmal grösser sind. Aber sie sind beträchtlich. Der UNO ist das Thema eher unangenehm. Es gibt von ihr nur vage Stellungnahmen dazu. Kernpunkt: Illegal sind solche Einkäufe nicht, solange es nicht um Dinge geht, die internationalen Sanktionen unterliegen.
Oft ist es für die UNO sinnvoll, Waren oder Dienstleistungen, die sie für ihre Blauhelm-Operationen oder Nothilfeeinsätze weltweit braucht, vor Ort oder zumindest in der Nähe einzukaufen – also auch in Ländern mit problematischen Regimen. Als universale Organisation kann es sich die UNO auch gar nicht erlauben, ausschliesslich mit rechtsstaatlichen Demokratien Geschäfte zu machen.
Doch was bezieht die UNO überhaupt aus Russland? Es sind etwa Lebensmittel oder medizinische Produkte sowie administrative und Informatikdienstleistungen, aber auch Helikopter. Bei wem genau die UNO einkauft, ist nur teilweise transparent. Manche Zulieferfirmen werden verschwiegen, aus Vertraulichkeits- oder Sicherheitsgründen, wie es heisst.
Nicht einziges Problemland
In einem Bereich musste die UNO jedoch eine lange, intensive Zusammenarbeit mit Russland weitgehend abbrechen: beim Leasing von insgesamt 62 russischen Flugzeugen und Helikoptern. Die UNO-Zivilluftfahrtbehörde Icao beurteilte nämlich die russische Luftfahrt im September 2022 als potenziell unsicher. Den Russen fehlen wegen der Sanktionen Ersatzteile.
Eine seriöse Wartung ist daher gefährdet. Nun muss sich die UNO primär bei westlichen Anbietern von Lufttransportmitteln umsehen, was aber meistens deutlich teurer ist.
Russland ist nicht das einzige Problemland, mit dem die UNO Geschäfte treibt. Ein anderes ist Syrien. Zwei Nichtregierungsorganisationen haben aufgedeckt, dass die Weltorganisation sogar bei syrischen Firmen einkauft, die eng verbandelt sind mit dem Regime.
Geschäfte mit Völkerrechtsbrechern sind für die UNO heikel. Aus pragmatischen und Kostengründen sind sie zwar oft nachvollziehbar. Doch sie sind anrüchig und tragen, wenn sie bekannt werden, der UNO Kritik ein. Angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen wird das bisher unspektakuläre und öffentlich kaum beachtete Beschaffungswesen für die UNO zunehmend zum Minenfeld.