Unabhängige Journalisten in Russland sind sich ein schwieriges Arbeitsumfeld gewohnt. Gerade wenn es um investigative Recherchen zu Korruption geht, braucht es nicht nur jede Menge Mut, sondern auch bei jedem Schritt grösste Vorsicht.
Umso absurder muten die Vorwürfe gegen einen der bekanntesten Investigativ-Journalisten Moskaus an. Wegen Drogenbesitzes und angeblichen Verbindungen zu einem Drogenring drohen Iwan Golunow mehrere Jahre Haft. Der Fall steht beispielhaft für eine Methode der staatlichen Repression, die in Russland seit einigen Jahren vor allem gegen Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen angewandt worden ist.
Drogen als Schweigemittel
Die russische Gesetzgebung wurde bezüglich Drogen in den vergangenen Jahren immer restriktiver. Die längsten Haftstrafen werden in Russland mehrheitlich nicht wegen Verbrechen gegen Leib und Leben ausgesprochen, sondern in Zusammenhang mit Drogen. Selbst bei kleinen Mengen droht ein Freiheitsentzug.
Diese strenge Gesetzgebung scheint ein willkommenes Mittel geworden zu sein, um kritische Stimmen mit geringem Aufwand zum Schweigen zu bringen. Erst diesen März wurde Ojub Titiew, ein bekannter Menschenrechtsaktivist in Tschetschenien, wegen angeblichen Besitzes von 180 Gramm Marihuana zu vier Jahren Strafkolonie verurteilt.
Die bisherigen Fälle fanden meist fern der Öffentlichkeit in der russischen Provinz und im Kaukasus statt. Doch mit der Festnahme des Journalisten Iwan Golunow hat die Polizei einen Aufschrei unter den verbliebenen unabhängigen Journalisten Russlands provoziert, die seit Freitagabend in mehreren Städten des Landes für dessen Freilassung protestieren.
Die Redaktion von Iwan Golunow hat gute Gründe von seiner Unschuld überzeugt zu sein. Erst kürzlich sei Golunow in Zusammenhang mit seiner Arbeit bedroht worden, weswegen auch sein Chefredaktor davon ausgeht, dass ihm die Drogen untergeschoben wurden, um ihn mundtot zu machen.
Fragwürdige Untersuchung
Noch bevor heute die Anklagepunkte gegen den Journalisten vor Gericht erhoben werden, lässt der Fall tief blicken. Die Moskauer Polizei verstrickt sich in zahlreiche Widersprüche. So publizierte sie Beweisfotos, die angeblich in der Wohnung des Journalisten aufgenommen wurden. Wenig später muss die Polizei klarstellen, dass die Fotos mehrheitlich einen anderen Drogenfund zeigen.
Während 14 Stunden soll dem Journalisten der Kontakt zu seinem Anwalt verweigert worden sein. Laut diesem wurde Golunow im Gefängnis geschlagen und forensische Proben von Golunows Fingern sollen ihm als Beweismittel verweigert worden sein.
Deutliches Signal an kritische Journalisten
Fern der russischen Hauptstadt mag ein derartiges Vorgehen in den letzten Jahren ohne Konsequenzen möglich gewesen sein. Der Moskauer Bürgermeister Sobjanin wäre gut beraten, den Widerstand in Moskau nicht zu unterschätzen.
Für die unabhängigen Journalisten steht viel auf dem Spiel. Die Art und Weise, wie gegen Iwan Golunow vorgegangen wird, hat allen kritischen Journalisten deutlich gemacht, dass die Polizei morgen bei ihnen vor Türe stehen könnte.