Zum Inhalt springen

Journalist in Regierungschat Nach US-Sicherheitspanne: Ist das in der Schweiz auch möglich?

Ein Journalist wurde versehentlich in einen Gruppenchat der Trump-Administration eingeladen und las mit, wie sie den Angriff auf die Huthi plante. Es ist kaum denkbar, dass so etwas in der Schweiz ebenfalls passiert.

Kann das in der Schweiz auch passieren? Marc Ruef, Forschungschef des Zürcher Cybersecurity-Unternehmens Scip, sagt: Möglich ist alles – auch, dass man die falschen Leute in eine Chatgruppe einlädt. Nationalrätin Priska Seiler Graf und Nationalrat Stefan Müller-Altermatt sind beide Mitglieder der Geschäfts­prüfungs­delegation (GPDel), die alle Bereiche überwacht, die die Sicherheit des Staates betreffen. Dazu gehört zum Beispiel der Nachrichtendienst oder geheime Geschäfte, die der Bundesrat behandelt.

Seiler Graf (SP/ZH) antwortet auf die Frage: «Wir haben zwar sehr hohe Sicherheitsmassnahmen, die eingehalten werden sollten.» Allerdings gebe es einen grossen Unsicherheitsfaktor: den Menschen. «Ich denke hierbei an all die Leaks aus dem Bundesrat.» Dem schliesst sich Müller-Altermatt (Mitte/SO), Präsident der GPDel, an. Er sagt aber: «Wenn man sich nur ein bisschen an die Richtlinien hält, dann nein.» Die Schweiz habe viel strengere Sicherheitsvorkehrungen als die USA.

Was ist passiert?

Box aufklappen Box zuklappen

In den USA sorgt eine Sicherheitspanne bei der Regierung für Aufsehen. Journalist Jeffrey Goldberg wurde versehentlich einem vertraulichen Gruppenchat der US-Regierung hinzugefügt, wie inzwischen auch Präsident Donald Trump einräumte. In diesem Chat auf der Signal-App haben Regierungsmitglieder wie Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Aussenminister Marco Rubio hochsensible Militärpläne diskutiert – darunter konkrete Angriffspläne gegen die Huthi-Miliz im Jemen. Gegenüber NBC News sprach Trump von einem «Glitch» (zu Deutsch: einer «Panne»).

Wie kommuniziert der Bundesrat? Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage, der Bundesrat verwende «je nach Situation und Thema geeignete Kommunikationsmittel», darunter Threema Work. Der Business-Messenger sei beim Bund für Informationen bis zur Klassifizierungsstufe vertraulich zugelassen. Jedes Bundesratsmitglied erhält ausserdem ein abhörsicheres Zweithandy. Fragen dazu, etwa, was es auszeichnet und ob Bundesräte bei Bundesratsgeschäften nur noch über dieses Zweithandy kommunizieren, beantwortet die Bundeskanzlei nicht.

Mann im Anzug sitzt in einem Stuhl und schaut auf sein Smartphone.
Legende: Kann eine Sicherheitspanne wie in den USA auch in der Schweiz passieren? Nationalräte sagen nein, sofern man die starken Sicherheitsvorschriften beachte. Allerdings bleibe der Unsicherheitsfaktor Mensch. KEYSTONE/Alessandro della Valle

Wie stellt der Bundesrat seine Kommunikation sicher? Zum einen dürfen die Bundesräte ihre Handys während ihrer Sitzungen nicht ins Bundesratszimmer nehmen. Bei der digitalen Kommunikation, so die Bundeskanzlei, sei eine wichtige Vorgabe für den Informationsaustausch bei der Klassifizierungsstufe vertraulich die eindeutige Identifikation der Gesprächspartner. Dies könne bei «Threema Work» beispielsweise durch eine persönliche QR-Code-Verifikation gewährleistet werden. Weitere Details legt die Bundeskanzlei aus Sicherheitsgründen nicht offenauch nicht, was die Bundesräte bei der Bedienung ihres privaten Handys beachten müssen.

Nationalrätin Seiler Graf sagt, der Bundesrat sei nicht immer vorsichtig gewesen bei seiner Kommunikationssicherheit. Sie spielt damit wohl auf einen Fall aus dem Jahr 2020 an, der hohe Wellen schlug: Viola Amherd räumte nach einem Jahr als Bundesrätin in einem lockeren Gespräch in einer SRF-Sendung ein, immer noch ihr privates Handy und nicht das abgesicherte Zweithandy zu verwenden, das sie seit Amtsantritt erhalten hatte. Das sei mittlerweile nicht mehr der Fall, versichert Seiler Graf. In den letzten Jahren habe ein «Ruck» stattgefunden.

Wie kommuniziert die GPDel? Bei der GPDel kommt es auf die Geheimhaltungsstufe an. Bis Stufe vertraulich gilt: gesicherte E-Mails (zweifach authentifiziert, mit externem Stick), nur eingeschriebene Post. Ab Stufe geheim verlassen die entsprechenden ausgedruckten Dokumente ein abhörsicheres Sitzungszimmer in Bundesbern nicht. Die Delegation habe aber trotzdem Chats, bestätigt Seiler Graf, beispielsweise auf der Plattform Threema. Darin gehe es allerdings lediglich um administrative Dinge wie die Planung von Sitzungen.

«Nachlässigkeit, Achtlosigkeit»: Was Vance und Co falsch machten

Box aufklappen Box zuklappen

Wie die Nachrichtenagentur DPA recherchierte, gibt es zwar keine gesetzlichen Bestimmungen, die US-Regierungsmitgliedern die Nutzung von Signal ausdrücklich verbietet. Für Diskussionen über einen möglichen Kriegseinsatz und andere heikle Themen gelten jedoch strenge Sicherheitsvorschriften. So dürfen solche Unterhaltungen nur in besonders abgeschirmten Räumen («Sensitive Compartmented Information Facility») oder digital über speziell gesicherte IT-Geräte oder Smartphones geführt werden. Ob die Regierungsmitglieder mit ihrem privaten oder einem abgesicherten Handy über Signal kommunizierten, ist derzeit ungewiss.

Für Politologin und USA-Kennerin Sarah Wagner seien viele Vorschriften im vorliegenden Fall «komplett missachtet» worden. Dieser Signal-Chat widerspreche «in jeglicher Hinsicht» diesen Regeln. Das Pentagon selbst habe die Signal-App 2023 als Kanal eingeordnet, der explizit nicht autorisiert sei, nicht-öffentliche Informationen des Pentagons zu verbreiten, weiss die Politologin.

Das ganze Gespräch mit Sarah Wagner können Sie in der aktuellen Ausgabe von News Plus nachhören.

News Plus, 25.3.2025, 16 Uhr

Meistgelesene Artikel