Vor genau einem Jahr rückte die beschauliche Ferieninsel Malta mit ungewohnten Schlagzeilen ins Rampenlicht. Damals kam die Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia bei einem Autobomben-Anschlag ums Leben. Sie hatte über Korruption und Geldwäsche in Regierungskreisen berichtet. Die Ermordung der umstrittenen Bloggerin und Journalistin warf ein Schlaglicht auf Verstrickungen von Politik, kriminellem Milieu und möglicherweise korrumpierten Institutionen auf dem Inselstaat.
Das vergebliche Warten auf Antworten
Für den Mord müssen sich drei Angeklagte vor Gericht verantworten – obwohl keiner so recht glaubt, dass sie es waren, die Caruana Galizia zum Schweigen bringen wollten. «Es ist traurig. Aber nach einem Jahr weiss man noch immer nicht, wer der Auftraggeber des Anschlags gewesen ist», sagt ARD-Journalist Daniel Kuhn, der derzeit auf Malta ist. Der Prozess gegen die drei Angeklagten befinde sich weiter im Stadium der Beweisaufnahme: «Alle sind sich einig, dass die Hintergründe des Mordes nicht ansatzweise aufgeklärt wurden. Über die Hintermänner herrscht Schweigen.»
Stachel im Fleisch der Mächtigen
Caruana Galizia schonte niemanden, weder den Ministerpräsidenten Joseph Muscat noch enge Kollegen. Auszüge aus den Artikeln ihres Blogs «Running Commentary» werden nahezu täglich auf dem Twitter-Account «Notes From Daphne» veröffentlicht.
Für ihre Umtriebigkeit wurde Caruana Galizia geachtet und gehasst. Viele andere lokale Journalisten seien allerdings vorsichtig geworden, berichtet Kuhn: «Wer im Zusammenhang mit dem Mordfall mit der ausländischen Presse zusammenarbeitet, hinterlässt für sich selbst verbrannte Erde.» Jeder kenne jeden auf der kleinen Insel, «und es wird durchaus versucht, Dinge unter den Teppich zu kehren.» Die Regierung selbst beantworte Interviewanfragen in der Regel nicht einmal.
Das Ringen um Wahrheit
Eine Gruppe internationaler Journalisten, die sich als «Daphne Project» zusammengeschlossen haben, hatte über Verbindungen des Wirtschaftsministers Chris Cardona zu einem der mutmasslichen Mörder berichtet. Über Treffen, die vor und nach dem Mord stattgefunden haben sollen. Cardona weist die Anschuldigungen als «spekulativ», «schädlich» und «falsch» zurück und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Journalisten. Es würden Fakten verdreht, damit diese in eine Erzählung passten, die sie «beharrlich durchzusetzen versuchen».
Caruana Galizia hatte auch Cardona im Visier. Sie hatte ihn beschuldigt, während eines Staatsbesuchs in Deutschland ein Bordell besucht zu haben. Journalist Kuhn warnt allerdings vor vorschnellen Urteilen: «Es gibt keine hundertprozentigen Beweise. Es bewegt sich alles auf dem Feld von Vermutungen.» Schliesslich bezögen sich die Recherchen auf mutmassliche Verwicklungen, denen schon die ermordete Journalistin selbst nachspürte: «Allzu viel Neues gibt es also nicht.»
Politische Schlammschlacht und eine geteilte Insel
Der Mordanschlag, inszeniert wie eine Abrechnung innerhalb der Mafia, halte die kleine Insel nach wie vor in Atem, berichtet Journalist Kuhn. Die Menschen seien beunruhigt, dass so etwas bei ihnen passieren konnte. Und auch politisch hat der Anschlag Spuren hinterlassen: «Die Opposition instrumentalisiert den Fall und spricht von einem Anschlag auf die Demokratie.» Währenddessen würde die Regierung um Premier Muscat versichern, dass die Untersuchungen auf Hochtouren laufen würden. «Damit sind auch die Menschen auf Malta in zwei Lager gespalten. Das traurigste ist aber, dass die juristische Aufklärung weiter offen ist», schliesst Kuhn.