Als 2016 im wichtigsten buddhistischen Kloster der Mongolei Babys unter der Aufsicht von hohen Mönchen zu krabbeln begannen, sah China rot. Beim Ritual ging es darum, den höchsten buddhistischen Würdenträger für die Mongolei zu finden, der sich der Kontrolle Chinas entzieht.
In der Mongolei wird der tibetische Buddhismus praktiziert. Deshalb war auch der Dalai Lama zu Besuch und bestätigte, dass die Wiedergeburt des spirituellen Führers gefunden wurde.
Aufgrund dieser Ereignisse schloss der südliche Nachbar und wichtigste Handelspartner China die Grenzen zur Mongolei. Denn alles, was mit dem Dalai Lama zu tun hat, ist für China politisch. Auch der tibetische Buddhismus soll sich der kommunistischen Partei Chinas unterordnen.
Erst als sich die Mongolei entschuldigte und versprach, den Dalai Lama nicht mehr einzuladen, öffnete der wichtigste Handelspartner die Grenzen wieder.
Unter Beobachtung von Putin und Xi
Der Buddhismus lebte mit dem Zusammenbruch der UDSSR in der Mongolei wieder auf. Unter dem Sowjetdiktat wurde er zuvor unterdrückt. Gleichzeitig setzte in den 1990er-Jahren eine Demokratisierung ein.
Der chinesische Staatsführer Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin bereuten diese Entwicklung, meint der ehemalige mongolische Diplomat Bayarkhuu Dashdorj. «Sie haben die Mongolei an die Demokratie verloren.»
Auch vom Nachbarn Russland ist die Mongolei abhängig. Wenn Russland die Energieversorgung drosselt, gehen in der Mongolei die Lichter aus.
Russische Druckversuche
Dashdorj erzählt von Druckversuchen aus China und Russland. Zum Beispiel als es um einen Staatsbesuch des mongolischen Premiers in den USA ging. Die Nachbarn rieten davon ab.
Der Premierminister ging trotzdem. In der Folge fiel in fünf Provinzen der Mongolei der Strom aus – wegen ausbleibenden Lieferungen aus Russland, sagt Ex-Diplomat Dashdorj.
Geopolitischer Balanceakt
Die junge Demokratie Mongolei möchte sich aus den Zwängen ihrer geografischen Lage befreien. Sie hält Ausschau nach politischen und wirtschaftlichen Partnern anderswo in der Welt und erzielt auf politischer Ebene viele Erfolge.
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs besuchten in den letzten Jahren die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar. Aus Deutschland, Frankreich, Polen und auch der Schweiz kamen sie.
Die Mongolei habe international eine Präsenz, die vollkommen ausser Proportion zur Wirtschaftskraft und Bevölkerungsgrösse stünde, meint Mongolei-Experte Julian Dierkes von der University of British Colombia.
Prekäre Entwicklung
Virtuos übe sich die Mongolei im Balanceakt von konstruktiven Beziehungen mit den Nachbarn und guten Kontakten mit Demokratien in Europa, Asien und Amerika, meint Dierkes.
Der Mongolei-Experte hat aber Bedenken. Die zunehmende Polarisierung zwischen dem Westen auf der einen Seite und China und Russland auf der anderen Seite machten den mongolischen Balanceakt immer schwieriger.
Der ehemalige Diplomat Dashdorj hingegen meint: «Der Druck genügt nicht, um unsere demokratische Freiheit zu bedrohen. Noch nicht.»