Bagdad – das scheint draussen zu sein. Im Inneren von Al Mahatta ist es wie in New York oder Berlin: Junge, trendige Menschen sitzen an langen Tischen vor ihren Laptops und Tablets. Die Atmosphäre ist geschäftig, konzentriert. Auch das ist die irakische Hauptstadt heute; ein Hub für junge Unternehmer und Unternehmerinnen.
«Wir haben hier Filmemacher, Marketing-Leute, Grafikerinnen – eine breite Auswahl von Unternehmen», sagt Samaa Abbas von Al Mahatta, auf Deutsch: die Station. Damit sei nicht irgendeine Busstation gemeint, Abbas will den Namen als Startrampe verstanden wissen: «Al Mahatta ist wie eine Abschussrampe für deine Karriere», sagt die Verantwortliche des Coworking-Spaces, welcher 2018 die Türen öffnete und heute 40 Kleinunternehmen beherbergt.
Die Decke ist hoch im Al Mahatta. Eine Ziegelwand imitiert einen industriellen Look. Hinten läuft eine italienische Kaffeemaschine im Dauereinsatz. Doch Al Mahatta bietet nicht nur Koffein und Sitzplätze, sondern unterstützt die Unternehmen mit Schulungen, Fundraising und erleichtert den administrativen Aufwand mit den Behörden.
«Jeder Tisch hat eine eigene Registrierungsnummer, womit sich die Unternehmen beim zuständigen Ministerium anmelden können. So, als wären sie eine Firma mit eigenem Sitz.» Dies senke die Kosten, um ein neues Unternehmen zu gründen, sagt Samaa Abbas weiter.
Es gibt Geld und Chancen in Irak.
Die Wirtschaft in Irak liege darnieder und viele junge Irakerinnen und Iraker glaubten, der öffentliche Sektor sei die einzige Möglichkeit, eine einigermassen gut bezahlte Arbeit zu erhalten. Diese Einstellung wollten sie ändern, sagt Samaa Abbas: «Es gibt Geld und Chancen in Irak. Junge Irakerinnen und Iraker brauchen einfach einen Anstoss, um ihre Geschäftsideen umzusetzen.»
Irak – ein Land voller Möglichkeiten
Das sieht auch Ibraheem Muhammed so, der hier mit gleich zwei Start-ups vertreten ist: «Irak ist ein fast unangetasteter Markt. Jede Idee erzeugt eine Nachfrage. Im Moment ist es einfach, hier mit neuen Produkten Geld zu verdienen.» Es herrscht also eine Art Aufbruchstimmung, gerade weil während der letzten zwanzig Jahren praktisch nichts lief in Irak.
Die Perspektivlosigkeit, die Korruption im Land und die harte Hand des Staates trieb 2019 Tausende junge Irakerinnen und Iraker auf die Strasse. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Über dreihundert Demonstrierende kamen damals ums Leben, 15’000 wurden verletzt.
Nach den Protesten nun die Hoffnung
«Wir hatten damals die Nase voll», sagt Ibraheem Muhammed, wobei er nicht sagen will, ob er an den Protesten teilgenommen hat oder nicht. Der Staat ist immer noch derselbe und geht rigoros gegen jegliche Form von Kritik vor, auch wenn die Regierung nun eine andere ist als 2019.
Die Stimmung unter den Jungen ist heute aber eine andere. Das beteuert auch Dania, die ihre Marketingfirma hier im Al Mahatta angesiedelt hat: «Die Jungen in Irak wollen arbeiten. Sie wollen lernen, etwas erreichen.» Dania beteuert, die Zeiten hätten sich verändert in Irak oder zumindest in der Hauptstadt Bagdad – zum Positiven. Sie, Ibraheem und viele andere Jungunternehmer in Bagdad schauen heute etwas optimistischer in die Zukunft.