- In Israel wird künftig eine Dreiviertelmehrheit des Parlaments benötigt, um einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären.
- Das Parlament in Jerusalem verabschiedete nach nächtlicher Debatte diese entsprechende Gesetzesänderung.
- Tausende Israelis gingen auf die Strasse, um ihren Unmut zu zeigen.
In letzter Lesung stimmten 61 der 120 Abgeordneten dafür. 47 Abgeordnete waren dagegen, die anderen fehlten oder enthielten sich. Damit wäre, wenn das Gesetz nicht noch von der Justiz gestoppt wird, für die Amtsenthebung künftig eine Dreiviertelmehrheit erforderlich. Zuvor waren die Einzelheiten für ein Absetzungsverfahren nicht genau festgelegt.
Dies ist die erste Gesetzesänderung im Rahmen einer höchst umstrittenen Justizreform der neuen rechtsstehenden Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die vom Parlament abschliessend gebilligt wurde.
Netanjahu könnte von Gesetzesänderung profitieren
Die Änderung ist besonders umstritten, weil sie als persönlich auf Regierungschef Netanjahu und dessen Bedürfnisse zugeschnitten gilt. Gegen den 73-Jährigen läuft seit längerer Zeit ein Korruptionsprozess. Und das Gesetz in seiner vorherigen Form hätte es, gemäss dem Israel Democracy Institute (IDI), leichter gemacht, Netanjahu im Rahmen dessen abzusetzen.
Künftig ist die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten aber nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich. Ein Korruptionsverdacht oder ein Interessenkonflikt reichen als Gründe für einen solchen Schritt nicht aus.
Die Opposition verurteilte das neue Gesetz als «unanständig und korrupt». Der Vorsitzende der nationalistischen Partei Jisra’el Beitenu, Avigdor Lieberman, kündigte an, vor dem höchsten Gericht dagegen vorzugehen. «Wir werden nicht zulassen, dass der Staat Israel eine Monarchie der Familie Netanjahu wird», twitterte Lieberman nach dem Parlamentsentscheid.
Tausende Israelis gehen auf der Strasse
In Israel gibt es seit rund drei Monaten heftige Proteste gegen die geplante Justizreform. Bemühungen um einen Kompromiss waren aber bisher erfolglos. Es mehren sich Warnungen, das Land steuere auf eine Staatskrise hin.
In den letzten Tagen haben sich zudem auch militärische Reservisten den Protesten angeschlossen und hohe Beamte des Finanzministeriums warnten diese Woche vor einer wirtschaftlichen Gegenreaktion.
So verwundert es auch nicht, dass sich die Proteste nach dem nächtlichen Parlamentsentscheid nochmals intensivierten. Tausende Israelis demonstrieren mit Flaggen und Plakaten gegen die Regierung sowie die Überarbeitung des Gerichtssystems und blockieren Strassen.
In Tel Aviv brachten die Protestierenden so mitten am Tag den Verkehr praktisch zum Erliegen. Eine kleine Gruppe verbrannte Reifen auf der Strasse vor einem Seehafen. In Jerusalem versammelte sich eine Menschenmenge an den Mauern der Altstadt, wo sie eine riesige Nachbildung der Unabhängigkeitserklärung des Landes aufhängte.
Auch in weiteren Städten kam es zu Kundgebungen. In Tel Aviv und Haifa setzte die Polizei Wasserwerfer ein, um gegen Demonstranten vorzugehen. Vereinzelt kam es zu Festnahmen.