- Nach mehr als zwei Monaten massiver Proteste hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Abschwächung der geplanten Justizreform angekündigt.
- Ursprünglich sollte das von der weit rechts stehenden Regierung angestrebte Gesetzespaket bis zum 2. April ratifiziert sein, wenn die Knesset in die Parlamentspause geht.
- US-Präsident Joe Biden hat Benjamin Netanjahu zudem zu einem Kompromiss aufgefordert. Biden habe in einem Telefonat die Unterstützung der USA angeboten.
Am Montag erklärten Netanjahu und seine religiös-nationalistischen Koalitionspartner, die meisten Vorhaben würden zurückgestellt, bis die Knesset am 30. April wieder zusammentritt.
US-Präsident Joe Biden betonte in einem Telefonat mit Netanjahu, dass demokratische Prinzipien immer das Kennzeichen der US-israelischen Beziehungen gewesen seien und dies müsse so bleiben. Grundlegende Veränderungen bräuchten eine möglichst breite öffentliche Unterstützung, sagte Biden nach Angaben des Weissen Hauses.
Netanjahus Büro teilte mit, der Regierungschef habe Biden versichert, dass Israel eine starke und lebendige Demokratie sei und dies auch bleiben werde.
Regierung will bei der Justiz mehr Macht
Im Mittelpunkt der Reform steht das Verfahren zur Auswahl der Richter. Die Regierung will ihren Einfluss dabei stärken und die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Sie begründet dies mit dem Vorwurf, Richter hätten sich in die Politik eingemischt.
Kritiker werfen der Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz einschränken zu wollen. In einer Erklärung der Regierung vom Montag hiess es, es bleibe bei der geplanten Überprüfung der Richter in einem Auswahlgremium. Auch solle dieses Gremium wie ursprünglich von neun auf elf Mitglieder erweitert werden.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf sollten ihm drei Kabinettsminister, zwei Abgeordnete der Regierungskoalition und zwei von der Regierung gewählte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören. Damit hätte die Regierung über eine Mehrheit von sieben zu vier Stimmen verfügt.
In der geänderten Fassung soll das Gremium aus drei Kabinettsministern, drei Abgeordneten der Regierungskoalition, drei Richtern und zwei Abgeordneten der Opposition bestehen. Das könnte eine knappere Mehrheit der Regierung von sechs zu fünf bedeuten.
Bereits das elfte Wochenende mit Protesten
Ausserdem sieht der geänderte Entwurf vor, dass nicht mehr als zwei Richter des Obersten Gerichtshofs durch regelmässige Abstimmungen in einer bestimmten Sitzung der Knesset ernannt werden können.
Organisatoren der Protestbewegung in Israel erklärten laut der Zeitung «Haaretz», die Änderung sei «eine Kriegserklärung der israelischen Regierung gegen das Volk und die israelische Demokratie». Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, der Vorschlag der Regierung sei eine «feindliche politische Übernahme des Justizsystems». Der Richterwahlausschuss werde so zum «Ausschuss zur Ernennung von Kumpanen».
Am Samstag hatten Israelis das elfte Wochenende in Folge gegen die geplante Reform protestiert. Sie werfen der Regierung aus Konservativen, religiösen Fundamentalisten und rechten Nationalisten vor, die demokratische Kontrolle von Ministern durch die Gerichte zu gefährden. Daher stehe die Zukunft der Demokratie auf dem Spiel. Staatspräsident Isaac Herzog hat für eine Verschiebung der Reform plädiert.