- Im Streit um die polnische Justizreform verschärft die EU-Kommission ihr Vorgehen gegen die nationalkonservative Regierung in Warschau.
- Wegen des jüngsten Gesetzes zur Disziplinierung von Richtern hat die Brüsseler Behörde ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet.
- Aus Sicht der EU-Behörde verstösst das Gesetz gegen EU-Recht.
Das neue Gesetz untergrabe die Unabhängigkeit polnischer Richter und stimme nicht mit dem Vorrang von EU-Recht überein, schrieb Justizkommissar Didier Reynders auf Twitter.
Vizekommissionschefin Vera Jourova sagte, es bestehe das Risiko, dass das Gesetz «unter anderem zur politischen Kontrolle des Inhalts von Gerichtsentscheidungen verwendet werden» könne. Richter aus anderen EU-Staaten müssten sich auf die Unabhängigkeit polnischer Kollegen verlassen können.
Konkret geht es um ein Gesetz, das Mitte Februar in Kraft getreten ist. Es sieht vor, dass Richter mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen müssen, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Auch dürfen sie sich nicht politisch betätigen.
Schon mehrere Verfahren – wenig Einsicht
Falls Polen nicht einlenkt, könnte die Kommission das Land erneut vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Zunächst hat die polnische Regierung nun jedoch zwei Monate Zeit, schriftlich auf die Bedenken zu antworten.
In der Vergangenheit zeigte Warschau sich allerdings wenig einsichtig. Die Beziehungen zwischen der EU-Kommission und der polnischen nationalkonservativen Regierungspartei PiS sind schon lange angespannt. Die PiS baut das Justizwesen des Landes seit Jahren umfassend um. Kritikern zufolge setzt sie Richter somit unter Druck. Die EU-Kommission überwacht in der Staatengemeinschaft die Einhaltung von EU-Recht und hat bereits mehrere Verfahren eingeleitet.
Laufendes Verfahren stockt
2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) etwa, die Zwangspensionierung polnischer Richter am Obersten Gericht sowie an ordentlichen Gerichten verstosse gegen EU-Recht. Vor drei Wochen entschied der EuGH, dass die polnische Disziplinarkammer zunächst ihre Arbeit aussetzen müsse, weil sie möglicherweise nicht unabhängig sei. Auch leitete die EU-Kommission 2017 ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Polen ein. Damit können einem Staat bei Verstössen gegen EU-Grundrechte Stimmrechte entzogen werden. Das Verfahren stockt jedoch.