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Justizreform in Italien Italien streicht den «Amtsmissbrauch» – ein fragwürdiges Signal

Die nun im Parlament verabschiedete Justizreform streicht den Amtsmissbrauch gänzlich aus dem Strafgesetz. Die Regierung begründet den radikalen Schnitt damit, dass der Amtsmissbrauch ein Papiertiger sei. Es werde zwar tausendfach geklagt, doch komme es nur bei mageren fünf Prozent der Fälle zu einem Urteil. Die anderen Fälle erwiesen sich als gegenstandslos. Darum sei ein spezielles Gesetz unnütz.

Es gebe in der umfangreichen italienischen Gesetzessammlung genügend Paragraphen, um trotzdem effizient gegen fehlbare Amtsträgerinnen und Amtsträger vorzugehen. Und vor allem, so die Regierung, habe dieses Gesetz Italien gelähmt. Denn Bürgermeisterinnen oder Spitzenbeamte hätten gar keine Verträge mehr unterzeichnet – aus Furcht, deswegen vor Gericht zu landen.

Opposition warnt vor Korruption und Mafia

Der Grossteil der Opposition sieht es anders: Ohne die spezifischen Paragraphen gegen den Amtsmissbrauch öffne man der Korruption, der Willkür oder gar der Mafia Tür und Tor. Das ist mit Sicherheit übertrieben. Denn die bestehenden, zum Teil sehr strengen Gesetze gegen Korruption oder das organisierte Verbrechen bieten Schutz.

Problematischer aber könnte das Signal sein, das die Regierung mit der ersatzlosen Streichung des Amtsmissbrauches setzt. Nämlich jenes, dass dieses Delikt gar nicht so schlimm sei.

Telefonabhörung eingeschränkt

Dazu kommt, dass diese Regierung auch beim Abhören von Telefonen gewichtige Einschränkungen macht. So wird es für Medien in Zukunft deutlich schwieriger, aus Protokollen abgehörter Telefonate zu zitieren. Die Opposition kritisiert, beide Änderungen nützten vor allem den «Coletti bianchi», den Krawattenträgern, also der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes.

Tatsächlich bleibt für den normalen Bürger und die normale Bürgerin alles beim Alten. Bei Prozessen, die oft viele Jahre dauern. Nur schon einen simplen Bau-Rekurs kann man in Italien über drei Instanzen weiterziehen. Langwierige Prozesse sorgen für hohe Anwaltskosten und quälende Rechtsunsicherheit.

Daran ändert die rechtskonservative Regierung Meloni wenig bis nichts, genau wie ihre Vorgängerregierungen. Und so wartet das Land weiter auf eine Justizreform, die diesen Namen auch wirklich verdient.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

Echo der Zeit, 11.07.2024, 18:00 Uhr

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