- Die ehemalige estnische Premierministerin Kaja Kallas stellt sich am Dienstag zur Wahl als EU-Aussenbeauftragte.
- Dabei stand sie zuvor den EU-Abgeordneten in Brüssel Rede und Antwort.
- Ihre Wahl gilt als sicher. Damit folgt sie an der Spitze der EU-Diplomatie auf den Spanier Josep Borrell.
Bei der Anhörung vor dem EU-Parlament rief Kallas die EU dazu auf, die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter zu unterstützen. «Wir müssen jeden Tag weiterarbeiten. Heute, morgen und so lange wie nötig und mit so viel militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe wie nötig», sagte sie.
Ohne Chinas Unterstützung wäre Russland nicht in der Lage, den Krieg mit der gleichen Stärke fortzuführen, argumentierte Kallas. China müssten dafür höhere Kosten auferlegt werden. Wie das konkret passieren soll, sagte sie nicht. Theoretisch wäre es möglich, dass die künftige EU-Kommission neue Sanktionen gegen chinesische Unternehmen vorschlägt, die militärisch nutzbare Güter an Russland liefern.
Als frühere Premierministerin Estlands habe Kallas immer klar Position gegen Russland bezogen, sagt der SRF-Korrespondent für die EU, Charles Liebherr. So habe sie vor den EU-Abgeordneten glaubwürdig gewirkt. «Kaja Kallas kann sich einer breiten Unterstützung innerhalb der EU sicher sein.» Indirekt hilft das der Ukraine.
Mehr Selbstbewusstsein für EU gefordert
Ein grosses Thema bei der Anhörung waren auch die US-Wahlen. Kallas beantwortete entsprechende Fragen pragmatisch: Egal wer in den USA Präsident sei, die EU müsse ihre Aufgaben besser erledigen als in der Vergangenheit.
Kallas wünschte sich auch, dass die EU ihre Wirtschaftsmacht selbstbewusster ausspielt – insbesondere auch gegenüber China und den USA. «Dieses Selbstbewusstsein wird im EU-Parlament natürlich gerne gehört», sagt Korrespondent Liebherr. Damit dürfte etwas weniger Zurückhaltung und etwas mehr Gegendruck die künftige EU-Aussenpolitik prägen.
Kallas kann EU-Aussenpolitik freier gestalten
Kallas wurde im Juni von den 27 Staats- und Regierungschefs der EU nominiert. Als Aussenbeauftragte muss sie denn Spagat zwischen den Mitgliedsländern machen. Das sei eine schwierige Aufgabe, so Liebherr. «Dass sie aus einem kleinen Mitgliedsland stammt, dürfte ein Vorteil sein.»
Kallas Vorgänger, der Spanier Josep Borrell, musste immer einen Blick auf die Aussenpolitik seines Heimatlandes haben. Die künftige EU-Aussenbeauftragte kann freier agieren. «Das dürfte bei den Verhandlungen innerhalb der EU, einen Kompromiss für eine gemeinsame Position zu finden, ein Vorteil sein», so der SRF-Korrespondent.
Es werden keine fünf einfachen Jahre sein.
Die 47-Jährige wird ihr Amt voraussichtlich im Dezember antreten. Neben dem Amt der EU-Aussenbeauftragten wurde sie, wie ihr Vorgänger, auch zur Vizepräsidentin der Europäischen Kommission designiert. Ihre Amtszeit beträgt, wie die der übrigen Mitglieder der Kommission, fünf Jahre.
«Es werden keine fünf einfachen Jahre sein», sagte Kallas. «Ich sehe, dass sich um uns herum Koalitionen von Autokraten bilden und bedrohliche geopolitische Umwälzungen in der ganzen Welt stattfinden», warnte sie vor den Europaabgeordneten. Die EU müsse sich bewusst sein, dass es eine Bedrohung gebe. Darauf müsse man mit den engsten Verbündeten angemessen darauf reagieren.
«Wir können es nicht akzeptieren, dass Russland, Iran und Nordkorea mehr Ausrüstung und Munition produzieren als die gesamte euroatlantische Gemeinschaft.» Man müsse deswegen mehr in Verteidigung investieren und mehr Verantwortung übernehmen.