Der Anfang war furios: In einer TV-Debatte Ende Juni griff Kamala Harris den Top-Favoriten Joe Biden clever an. Es ging um Bidens Umgang mit der Rassentrennung an US-Schulen in den 70er-Jahren. Die Attacke war emotional und kraftvoll. Harris wurde danach als Gewinnerin der Debatte gefeiert. Die erste dunkelhäutige Präsidentin? Es schien durchaus möglich.
Gut fünf Monate später gibt Harris auf, noch lange bevor im Februar die ersten Stimmen gezählt werden. Was ist passiert? Ihre Begründung: Sie sei keine Milliardärin und könne nicht genügend Geld für den Wahlkampf sammeln. Tatsächlich verschlingt ein US-Wahlkampf Unsummen. Aber bei der früheren Staatsanwältin Kamala Harris ist das fehlende Geld nur ein Symptom für tieferliegende Probleme.
Erinnerungen an Hillary Clinton
Harris gelang es nicht, den Schwung aus der TV-Debatte im Juni auszunutzen. Bei den nachfolgenden Auftritten wirkte sie nicht annähernd so überzeugend. Und es war nicht immer klar erkennbar, wo sie politisch steht.
Beim dominierenden Thema des demokratischen Vorwahlkampfs, dem Gesundheitswesen, wechselte sie plötzlich die Meinung. Das liess Erinnerungen an Hillary Clinton aufkommen. Auch bei Clinton hatte man damals oft den Eindruck, dass sie jede ihrer Äusserungen zuerst mit einer Umfrage auf ihre Beliebtheit teste. Bei der demokratischen Basis wünschen sich manche Wähler vor allem Authentizität, Ehrlichkeit und eine klare Vision. Das ging Harris zunehmend ab.
Reichtum als Startvorteil
Harris gelang es in der Folge nicht, eine euphorische, breite Fanbasis aufzubauen. Selbst in ihrem Heimatstaat Kalifornien hätte ihr womöglich eine Niederlage gedroht. Deshalb blieben auch die Spenden aus. Und ohne Geld, da hat Harris recht, ist im US-Wahlkampf nichts zu gewinnen.
Da haben es andere leichter. Michael Bloomberg, Multi-Milliardär und ehemaliger Bürgermeister von New York, hat bereits 57 Millionen Dollar in TV-Werbung investiert, seit er vor ein paar Tagen ins Rennen gestiegen ist. Er wolle sich die Nomination mit seinem Vermögen erkaufen, lautet der verständliche Vorwurf anderer Kandidaten.
Mögliche Vize-Kandidatin
Doch Geld allein reicht nicht. Das zeigt das Beispiel von Tom Steyer, ebenfalls Milliardär. Obwohl er seit Monaten auf allen Kanälen teure Werbung schalten lässt, kommt seine Kandidatur nicht vom Fleck. Charisma, Glaubwürdigkeit und Erfolg lassen sich auch mit viel Werbung nicht einfach erkaufen.
Kamala Harris hat die Reissleine gezogen, doch ganz wird ihr Name nicht aus dem Rennen verschwinden. Denn die verbleibenden Kandidaten könnten sie als mögliche Vize-Kandidatin im Auge behalten. Dunkelhäutig und weiblich - für die verbleibenden, vornehmlich männlichen und weissen Kandidaten wäre sie womöglich eine interessante Ergänzung.
Thomas von Grünigen
USA-Korrespondent, SRF
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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.
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