Eigentlich ist Alexander Schallenberg ja gelernter Diplomat. Doch als Bundeskanzler äussert er sich mitunter sehr undiplomatisch.
Dann nämlich, wenn er über jenes Drittel der österreichischen Bevölkerung spricht, das sich bisher partout nicht impfen lassen will: «Das ist verantwortungslos. Das ist eigentlich ein Attentat auf unser Gesundheitssystem. Aufgestachelt von diesen radikalen Impfgegnern, von fadenscheinigen Fake-News, haben sich leider zu viele unter uns nicht impfen lassen.»
Aufgestachelt von diesen radikalen Impfgegnern, von fadenscheinigen Fake-News, haben sich leider zu viele unter uns nicht impfen lassen.
Um aus dem Schlamassel rauszukommen, will die Regierung ab 1. Februar 2022 die Impfpflicht verordnen. Doch dieses Datum ist bisher einziger Fixpunkt. Alles andere ist offen. Gibt es zum Beispiel Ausnahmen? Wie hoch soll die Busse sein? Ab welchem Alter soll der Impfzwang greifen? Ab 12 oder erst ab 18?
Strafen oder belohnen?
Diese brennenden Fragen lässt auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein noch offen: «Wir werden Experten einladen und eine anständige Begutachtung machen, auch im Parlament.»
Doch die Experten sind vielstimmig. Bei den Bussen fordern die einen eher milde Beträge von 300, andere hohe von bis zu 3600 Euro. Wieder andere plädieren dafür, nicht die Impfverweigerer zu büssen, sondern die Impfwilligen mit bis zu 1000 Euro zu belohnen.
Offen ist auch die Frage, ob Impfverweigerer mit täglichen Tests weiterarbeiten können oder ob sie ihre Stelle ganz oder vorübergehend verlieren.
Keine rechtlichen Hürden erwartet
Klar scheint derzeit nur eines: Der Staat darf per Gesetz eine Impfpflicht verordnen. Denn das hat Österreich bereits einmal getan. Mit Erfolg: 1948 im Kampf gegen die Pocken.
Darum ist Gesundheitsminister Mückstein davon überzeugt, dass dies auch bei Corona möglich sei: «Zahlreiche Verfassungsjuristinnen und -juristen haben sich mit dem Thema bereits beschäftigt und signalisieren uns, dass eine allgemeine Impfpflicht im Fall von Corona verfassungsrechtlich legitim ist.»
Verfassungsjuristinnen und -juristen signalisieren uns, dass eine allgemeine Impfpflicht verfassungsrechtlich legitim ist.
Doch bei den Details, etwa wie lange die Impfpflicht gelten soll, wird das Verfassungsgericht ganz genau hinschauen und kaum zögern, das Gesetz oder Teile davon zu kippen. Für ein möglichst ausgewogenes Gesetz will die konservativ-grüne Regierung die Opposition einbinden und es nicht einfach mit ihrer eigenen Mehrheit durchdrücken.
Widerstand von rechts und links
Doch die rechtspopulistische FPÖ will rein gar nichts von einer Impfpflicht wissen. FPÖ-Chef Herbert Kickl, der selbst an Covid erkrankt ist, behauptet gar, wenn Österreich die Impfpflicht beschliesse, werde das Land eine Diktatur. Und bei den Sozialdemokraten wollen viele erst dann eine Impfpflicht, wenn eine weitere, intensiv geführte Impfkampagne wenig Wirkung zeigt.
Zuspruch kam hingegen von ganz oben, aus der Hofburg, dem Sitz des Staatspräsidenten. «Daher war die Entscheidung der Bundesregierung gemeinsam mit den Landeshauptleuten jetzt richtig, auch wenn sie sehr spät kam», erklärte Alexander Van der Bellen.
Van der Bellen verteidigt sowohl den Lockdown als auch die Impfpflicht. Dieses präsidiale Wort hat Gewicht. Doch leider sagte auch Van der Bellen rein gar nichts zu den Details. Von ihnen wird nun alles abhängen.
Die Entscheidung von Bundesregierung und Landeshauptleuten war richtig, auch wenn sie sehr spät kam.
Vor dem Verfassungsgericht wird wohl nur ein Impfgesetz Bestand haben, das Pflichten und Strafen mit Augenmass festlegt. Hart genug, um Druck auszuüben. Und locker genug, um die Freiheitsrechte nicht zu gefährden. Eine Gratwanderung und Bewährungsprobe für die noch junge Regierung Schallenberg.