Aleksandar Vucic hat den Ruf, dass in Serbien nichts läuft ohne sein Dazutun. Und wenn etwas wichtig ist, so verkündet er es. «Jetzt ist Schluss mit den grossen bekannten Drogenbossen!», sagte Vucic nach der aufsehenerregenden Razzia Anfang Monat in Belgrad. Und sein Innenminister schilderte plastisch die Verbrechen der Festgenommenen, erzählte unter anderem von der Säure, in der sie ihre Opfer auflösten.
Einige der Namen der Verbrecher sind seit Jahren bekannt. Zum Teil waren sie sogar schon in Haft, aber unter seltsamen Umständen wieder freigelassen worden. Äusserlich trat die Bande als Hooligan-Gruppe auf, aber sie war Teil eines Geflechts von mafiösen Organisationen, die den Drogenhandel auf dem Balkan dominieren.
«Es ist nicht möglich, dass Vučić nichts über die Gruppe wusste. Er trägt am meisten Verantwortung. Er hat den ganzen Sicherheitsapparat unter seiner Kontrolle, Polizei und Geheimdienste», sagte Milan Dumanovic in einer Gesprächsrunde auf dem Sender Al-Jazeera Balkans.
Der ehemalige Polizist Dumanovic verlor seine Stelle, weil er in einem anderen Fall als Whistleblower auftrat. Das renommierte Investigativ-Portal KRIK in Belgrad recherchiert seit Jahren zu den Verbindungen zwischen dem organisierten Verbrechen und der politischen Führung Serbiens.
Ich habe keine Zweifel, dass diese Leute gedeckt wurden, dass sie logistische Unterstützung erhielten aus dem Staatsapparat. Jetzt müssen Verhaftungen bei der Polizei folgen.
Gerade zu der Bande, die jetzt ausgehoben wurde, konnten Beziehungen konkret nachgewiesen werden. So wurde zum Beispiel Präsident Vučićs eigener Sohn mehrmals im Kreis dieser Leute fotografiert, in Bars in Belgrad und bei der Fussball-WM in Russland. Die Bande bekam Zugang zu einem Militärgelände für Schiessübungen und sie diente als Sicherheitsdienst bei der Inaugurations-Feier von Präsident Vucic.
Razzia nur ein Bauernopfer?
Interessant ist, dass nach der Razzia ein Parlamentarier aus Vucics eigener Partei an die Öffentlichkeit ging, im Morgenprogramm eines regierungstreuen Privatsenders. «Ich habe keine Zweifel, dass diese Leute gedeckt wurden, dass sie logistische Unterstützung aus dem Staatsapparat erhielten. Jetzt müssen Verhaftungen bei der Polizei folgen», sagte Vladimir Djukanovic. Er hat den Ruf, für Präsident Vucic Standpunkte an die Öffentlichkeit zu tragen, die dieser nicht selber äussern will.
Bei der Polizei sollen also Köpfe rollen – nicht etwa in der Politik. Und Vucics Leute streiten nach wie vor alle Kontakte zu den Verhafteten ab. Kritische Geister in Serbien vermuten deshalb, dass die Razzia mehr ein Bauernopfer war als ein erster grosser Schlag gegen das organisierte Verbrechen. Über die Gründe, wieso jetzt gegen Leute vorgegangen wurde, die man vorher machen liess, gibt es nur Spekulationen.
Es wird auch über andere Gründe spekuliert für das auf einmal so harte Vorgehen gegen die Drogenbande: Kam es zum Streit? Hielt sich die Bande nicht mehr an Abmachungen? Oder wurden Vucic und seine Regierung aktiv, weil sie in einer anderen Drogenaffäre unter Druck kamen und sich auch internationale Kritik zuzogen?
EU-Parlament fordert Taten
Es geht um die Firma Jovanjica, offiziell eine Biofarm, die aber in riesigen Mengen Cannabis zu Rauschzwecken anbaute. Auch in diesem Fall reicht der Verdacht bis in die Familie des Präsidenten hinein.
Dieser redet zwar von einer Verleumdungskampagne, aber gerade in diesen Tagen befassten sich Mitglieder des Europäischen Parlaments mit dem Fall und riefen Serbien dazu auf, endlich ernsthaft gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen.