Im Fokus stehen gut drei Dutzend Nichtregierungsorganisationen (NGO) und zwanzig Einzelpersonen aus deren Umfeld. Nicht irgendwelche, sondern international renommierte Menschenrechtsorganisationen, Thinktanks und Investigativjournalisten, die in grossen Korruptionsfällen in Serbien recherchiert haben.
Das Finanzministerium hat alle Banken in Serbien aufgefordert, deren Kontoinformationen herauszugeben. Nicht nur Kontostände und Namen der Berechtigten, sondern auch alle Geldtransaktionen mit vollständigen Angaben über Absender und Empfänger.
In einer Reihe mit Orban und Putin?
Tatsächlich geben die Vorschriften gegen Geldwäscherei dem Finanzministerium die Kompetenz, diese Angaben von den Banken zu verlangen. Aber: Im Gesetz steht, dass so ein Verfahren dann eröffnet werden kann, wenn der Verdacht besteht, dass Geld gewaschen wird, um den Terrorismus zu finanzieren.
Es braucht also einen Anfangsverdacht. Da dieser offensichtlich nicht besteht, haben die NGO Alarm geschlagen. Die Aktion richte sich gezielt gegen Vereinigungen, die sich mit Präsident Aleksandar Vučić und dessen Machtmissbrauch kritisch auseinandersetzten. Es gehe darum, Andersdenkende einzuschüchtern. Um ein Vorgehen also, wie es schon aus Russland oder Ungarn bekannt ist.
Der Bock wird zum Gärtner
Kritiker der Regierung wiesen darauf hin, dass Serbien noch bis letztes Jahr auf der internationalen Schwarzen Liste wegen Geldwäscherei gestanden habe. Jetzt werde die Geldwäschereistelle des Finanzministeriums endlich aktiv. Aber sie ermittle nicht da, wo es klare Anhaltspunkte für Geldwäscherei gebe, sondern gegen missliebige Organisationen.
Die Kritiker erinnerten auch daran, das Finanzminister Siniša Mali selber vor nicht allzu langer Zeit unter Geldwäscherei-Verdacht gestanden habe – dass sich sozusagen der Bock zum Gärtner gemacht habe.
Die EU und die USA teilen die Sorgen der NGO. Beide Botschaften in Belgrad haben mahnende Erklärungen herausgegeben. Die Freiheit der NGO müsse respektiert werden. Daraufhin ging auch Präsident Vučić persönlich an die Öffentlichkeit und sagte, es bestehe überhaupt keine Absicht, irgendwelche Organisationen zu diskriminieren. Die Ermittlungen seien pure Routine.
Barsche Reaktion auf Proteste
Man möchte meinen, dass sich Vučić um seine fast grenzenlose Macht in Serbien keine Sorgen machen müsste. Seit den Wahlen vor einem Monat gibt es im Parlament überhaupt keine Opposition mehr gegen ihn. Aber: Der Präsident wirkt in letzter Zeit nervös.
Die mehrtägigen Proteste gegen sein Hin und Her in der Corona-Politik brachte er nur zum Erliegen, indem er gewalttätige Provokateure losschickte, und dann mit übertriebener Polizeigewalt einschritt. Jetzt hat er es offenbar für nötig gehalten, kritische NGO einzuschüchtern und zu diskreditieren.