Corona hat die kanarischen Inseln vom Urlaubsparadies zum Migrations-Hotspot gemacht. Statt Touristen übernachten nun Flüchtlinge und Migranten in Hotels. Notgedrungen, weil es zu wenig Unterkünfte für sie gibt. Das stört die Kanarierinnen und Kanarier zusehends. Denn sie wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Für die spanische Rechtsaussenpartei Vox ist das der ideale Nährboden, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren.
Doch weshalb lässt Madrid auf den Kanaren gewalttätige Übergriffe von lokalen Bürgerwehren auf Geflüchtete zu? Die linke Regierung von Pedro Sánchez könnte die Lage entschärfen, etwa Flüchtlinge auf das spanische Festland bringen oder schneller prüfen, wer ein Recht auf Asyl hat und wer nicht.
Weshalb handelt die spanische Regierung nicht?
Geht es um die Kanaren, dann steckt die spanische Regierung in einer Zwickmühle: Ein zweites Moria auf spanischem Boden wäre eine Blamage für Ministerpräsident Sánchez, der 2018 als eine seiner ersten Amtshandlungen das Flüchtlingsboot «Aquarius» aufnahm – damals ein symbolischer Paukenschlag.
Doch auf den Kanaren geht es für Sánchez um mehr als um ein paar hundert Flüchtlinge auf einem Boot, denn die spanische Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas legt gerade einmal mehr die Schwachstellen der EU-Migrationspolitik offen. Die Kanaren drohen somit auch für die Europäische Union zur Blamage zu werden.
Was will die spanische Regierung?
Die angespannte Situation auf den Kanaren könnte alten spanischen Forderungen innerhalb der EU mehr Gewicht verleihen. Darauf hofft die Regierung Sánchez: Sie fordert nicht nur Geld von der EU, sondern will die europäische Migrationspolitik aktiv mitgestalten.
Spanien braucht eine langfristige Migrationspolitik, die über die Kanaren und Afrika hinausdenkt. Denn trotz der aktuellen Bilder von den Kanaren – die meisten Flüchtlinge kommen üblicherweise nicht via Boot aus Afrika nach Spanien, sondern mit dem Flugzeug aus Ländern wie Venezuela, Kolumbien oder Honduras.
2019 stellten rund 96'400 Süd- und Zentral-Amerikanerinnen und -Amerikaner Asylanträge in Spanien – und nur knapp 10’700 Afrikanerinnen und Afrikaner. Das heisst: Bei der Migrationsfrage unterscheidet sich Spanien stark von anderen EU-Mitgliedern wie Griechenland oder Italien und braucht andere Lösungen. Ob die anderen EU-Mitgliedsstaaten Verständnis für die spanische Realität haben, ist deshalb mehr als fraglich.