Im Juni wollten italienische Behörden die «Sea-Watch 3» mit 53 Flüchtlingen
an Bord nicht anlegen lassen. Die Kapitänin Carola Rackete ist trotzdem in den Hafen von Lampedusa gefahren. Ihre anschliessende Verhaftung hat weltweit für Aufsehen gesorgt.
Aus Deutschland und verschiedener anderer Länder erreichte die Kapitänin eine Welle der Solidarität. Aber es gab auch viele negative Stimmen und zahlreiche Hasskommentare bis hin zu Morddrohungen.
SRF News: An den Mauern der Uni Genf steht hingesprayt eine Hassbotschaft: «Kill Carola Rackete». Hat sie dies, hier in der Schweiz, überrascht?
Carola Rakete: Doch das hat mich hier in Genf eigentlich schon überrascht. Aus deutscher Sicht nehmen wir die Schweizer als sehr vernünftige Menschen wahr. Als Organisation können wir damit umgehen, aber das ist keine Kritik.
Sie retten Menschenleben auf hoher See während wir auf dem Sofa zuschauen. Was ist Ihre Botschaft an uns?
Gegen Aussagen, wie etwa «die sollen alle ersaufen», dagegen müssen wir als Zivilgesellschaft aktiv werden. Ich finde es wichtig, das persönliche Gespräch mit den Flüchtlingen zu suchen, dann verstehen wir auch, warum die Leute gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.
Was ist Ihre Forderung an die Politik, an die EU und an die Schweiz?
Es muss wieder eine europäische Seenot-Rettungsmission geben. Für uns als reicher Kontinent ist es das Mindeste, dass wir die Leute, die vor dem Bürgerkrieg fliehen, retten.
Hilfsorganisationen wie Sea Watch werden immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, Teil des Schleppernetzwerkes zu sein. Was entgegnen Sie?
Den Schleppern ist es völlig egal, ob die Menschen ankommen oder ertrinken. Wir hingegen setzen uns für das Recht auf Leben an unserer EU-Aussengrenze ein. Wir erfüllen das internationale Seerecht.
Das Menschenleben ist das Allerwichtigste und das muss auch auf dem Mittelmeer gelten.
Wir haben eine Verantwortung dort die Menschenrechte zu schützen – unabhängig davon, wo die Leute herkommen oder warum sie sich in diese Notlage begeben haben. Das Menschenleben ist das Allerwichtigste und das muss auch auf dem Mittelmeer gelten.
Im Buch «Handeln statt Hoffen» schreiben Sie über die Flüchtlings- aber auch über die Klimakrise. Was ist der Zusammenhang?
Beispielsweise im Tschad ist es jetzt schon 1.5 Grad heisser als es vor der Industrialisierung war. Die Trinkwasserreserven gehen zur Neige, die Leute verlieren die Möglichkeit Landwirtschaft zu betreiben. So zerstören wir die ökologische und ökonomische Lebensgrundlage dieser Menschen. Dafür sind wir als Industrienation verantwortlich und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Jede Aktion der Zivilgesellschaft gibt mir Hoffnung. Wenn ich sehe, dass hier noch andere Leute dabei sind, die etwas tun, das gibt mir Hoffnung.
Das Gespräch führte Marc Meschenmoser.