Der katalanische Unabhängigkeitsverfechter Carles Puigdemont will für die Regionalwahlen in Katalonien im Mai antreten. Dies erklärte er am Donnerstag in Südfrankreich. 2017 hatte der damalige Regionalpräsident mit einer Abstimmung die Unabhängigkeit Kataloniens angestrebt. Diese wurde von der spanischen Regierung für nichtig erklärt. Seither wird nach Puigdemont gefahndet. Die Journalistin Julia Macher schätzt ein, ob sich der frühere Separatistenführer reelle Chancen auf ein politisches Comeback ausrechnen kann.
SRF News: Es ist nicht der erste Versuch von Puigdemont für ein Comeback. Was treibt ihn an?
Julia Macher: Puigdemont hat nie verwunden, dass ihn die spanische Regierung nach der gescheiterten Unabhängigkeitserklärung Kataloniens einfach abgesetzt hat. Auch an den darauffolgenden Regionalwahlen hat er anschliessend aus dem Exil teilgenommen und gewonnen – das Amt konnte er aber nie antreten, weil es in Spanien einen Haftbefehl gegen ihn gab. Das rumort noch immer in Puigdemont.
Er betrachtet sich weiterhin als legitimen Präsidenten Kataloniens. Seine Motivation fasste er am Donnerstag selbst mit den Worten zusammen: «Ich bin gekommen, um die Arbeit zu beenden.»
Wie hat Puigdemont bei seinem Auftritt auf Sie gewirkt?
Er greift gerne tief in die Pathos-Kiste. Das hat er auch diesmal getan. Er hat aber auch mit dem Publikum gescherzt, was eher ungewöhnlich ist. Er wirkte gelöst und entspannt – so entspannt, dass er sogar der spanischen Linkskoalition in Madrid ein paar verklausulierte Komplimente gab. Mit dieser will er verhandeln, sollte er die Wahl in Katalonien gewinnen. Insgesamt wirkte Puigdemont wie jemand, der sehr siegesgewiss ist und mit einem grossen Comeback rechnet.
Ein Teil der Wählerschaft sieht in Puigdemont immer noch einen Helden, einen Vorkämpfer für den grossen Traum von der eigenen Republik.
Wie beliebt ist Puigdemont denn noch in Katalonien?
Die letzten Umfragen sind nicht besonders vielversprechend für ihn. Sie sehen bei den Regionalwahlen in Katalonien die spanischen Sozialisten als stärkste Fraktion. Puigdemonts Junts-Partei käme auf den dritten Platz, möglicherweise auch auf den zweiten. Generell lässt sich sagen, dass die katalanische Unabhängigkeitsbewegung an parlamentarischer Unterstützung verloren hat – und auch auf der Strasse ist es stiller um sie geworden.
Ein Teil der Wählerschaft sieht in Puigdemont aber immer noch einen Helden, einen Vorkämpfer für den grossen Traum von der eigenen Republik. Ein paar Tausend von ihnen sind am Donnerstag auch ins französische Elne gereist, wo Puigdemont seine Kandidatur bekanntgegeben hat.
Auch Puigdemont selber sieht sich immer noch als Vorkämpfer der Separatistenbewegung. Für die anstehenden Wahlen fordert er nun eine Einheitsliste der Unabhängigkeitsparteien. Kann er diese Kräfte hinter sich vereinen?
Das wird schwierig bis unmöglich. Die andere grosse Unabhängigkeitspartei – die katalanischen Linksrepublikaner – hat Puigdemont nach seinem Auftritt eine klare Absage erteilt. Sie halten eine solche Einheitsliste für überholt. Das überrascht nicht. Denn die beiden Parteien sind untereinander zutiefst zerstritten. In Barcelona ist die gemeinsame Koalition geplatzt. Die Differenzen liegen nicht nur in den unterschiedlichen politischen Strategien, wie man die Unabhängigkeit von Spanien erreichen will. Es geht auch um persönliche Verletzungen, vor allem zwischen Puigdemont und seinem ehemaligen Vize, Oriol Junqueras. Diese Dinge lassen sich nicht so einfach kitten.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.