In Australien sind die Einwanderungszahlen nach der Coronapandemie regelrecht explodiert. Bis Ende Juni des laufenden Jahres kamen 500'000 Menschen aus dem Ausland ins Land der Kängurus.
Um das zu ändern, hat die Regierung eine neue Migrationsstrategie für die kommenden zehn Jahre vorgestellt. In dieser Zeit soll die Einwanderungszahl auf 250'000 halbiert werden. Australien-Korrespondent Urs Wälterlin schätzt ein, ob Australien dieses Vorhaben gelingen wird und wie die Bevölkerung dazu steht.
Warum kamen nach der Pandemie so viele Menschen nach Australien?
Die Wirtschaft hatte damals einen grossen Bedarf an Fachkräften, denn die australischen Grenzen waren fast zwei Jahre lang geschlossen. Viele ausländische Berufsleute gingen nach Hause oder wurden von der damaligen Regierung heimgeschickt. Das führte zu einem gigantischen Loch im Arbeitsmarkt, nicht zuletzt im sehr wichtigen Tourismusbereich. Ein Beispiel: Zur Zeit der Wiedereröffnung der Grenzen fehlten landesweit etwa 1500 Köchinnen und Köche.
Die Regierung hat nach der Pandemie die Zahl der Visakategorien erhöht. Warum will sie nun zurückrudern?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der absolut drastische Mangel an Wohnraum und die damit extrem gestiegenen Mietpreise sind mit Sicherheit die wichtigste Motivation für die Regierung. Das ist die logische Schlussfolgerung, wenn man jeden Tag über 1300 Menschen neu ins Land lässt. Die Immigrantinnen und Immigranten haben zwar generell einen überwältigend positiven Effekt auf die Wirtschaft, wie Studien zeigen. Sie haben Berufe, die gesucht sind, Spezialwissen und wertvolle internationale Kontakte. Sie kurbeln generell die Wirtschaft an. Aber sie müssen eben auch irgendwo wohnen. Deshalb stehen sie bei der Wohnungssuche oft in Konkurrenz zu den Australierinnen und Australiern. Und das kommt nicht immer gut an.
Welche Massnahme steht im Zentrum?
Primär soll das sogenannte «Visa Hopping» unterbunden werden. Vereinfacht gesagt kommen viele Studierende nach Australien, um einen Kurs an einer Uni oder an einem Institut zu machen. Was sie primär aber wirklich machen, ist Arbeiten – und zwar meist in einfachen Berufen, etwa als Kurier. Wenn ihr Visum ausläuft, beantragen sie ein neues. Studierende besuchen auch Kurse, die weit unter ihrem bestehenden Ausbildungsstand sind, nur damit sie weiter im Land bleiben können.
Wie will Australien die Einwanderung von Arbeitskräften eindämmen?
Hier soll der Fokus noch weitaus stärker als bisher auf jene Berufe gerichtet sein, die im Land wirklich benötigt werden. Australien hat schon seit Jahrzehnten eine Liste mit Berufen, die beim Visumsantrag bevorzugt behandelt werden. Diese Liste ändert sich laufend. Einmal braucht man Tierärztinnen, dann wieder Metzger oder eben Köchinnen und Köche. Künftig werden es wohl vermehrt hoch spezialisierte Berufsgattungen sein, die bevorzugt werden, etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Kann Australien so die Migrationszahlen halbieren?
Ja. Australien hat die Zuwanderung immer gut kontrollieren können. Insofern ist das, was jetzt geschehen ist, nichts Neues. Es wird trotzdem ein wichtiges Einwanderungsland bleiben. Denn die Bevölkerung weiss, dass Australien seinen Erfolg im Wesentlichen der harten Arbeit und Inspiration von Generationen von Menschen zu verdanken hat, die aus allen Ecken der Welt gekommen sind.