Es ist erst ein Jahr her, dass Bernadett Szél für die Grünen als Premierministerin Ungarns kandidierte. Heute ist sie Parlamentarierin ohne Partei, sie hat nicht einmal mehr ein eigenes Büro und empfängt den Gast im viel zu grossen Sitzungszimmer. «So viele gute Politiker geben auf», sagt sie. In Ungarn werde man also Oppositionelle quasi gefoltert.
Orban an allen Hebeln der Macht
Für Szél ist Ministerpräsident Viktor Orban der Folterknecht. Er hat die Wahl vor einem Jahr überdeutlich gewonnen – zum dritten Mal in Folge. Orban verfügt über diverse Folterinstrumente. So hilft etwa das Wahlgesetz seiner Partei.
Auch sitzen im Amt, das die Finanzierung der Parteien überprüft, Orbans Leute. Sie verknurren die Oppositionsparteien seit Neustem zu existenzbedrohenden Bussen wegen angeblich illegaler Wahlkampffinanzierung. Nur Orbans Partei Fidesz wird nicht untersucht.
Medien in der Hand Orbans
«Ungarn ist keine Demokratie und kein Rechtsstaat mehr», sagt Szél. Noch im Januar hatte sie auf Besserung gehofft. Damals gingen Zehntausende Ungarinnen und Ungarn auf die Strasse, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das viel mehr Überstunden erlaubt als bisher. Bei den Protesten ging es auch um mehr Demokratie.
Doch jetzt ist das schon wieder vorbei. Das sei kein Wunder, denn die Regierung kontrolliere alle relevanten Medien im Land, sagt Szél. Sie wollte darüber mit dem Chef des Staatsfernsehens reden. Doch Sicherheitsleute warfen sie aus dem Gebäude – was sie gefilmt hat.
Wo bleibt die Opposition?
Die ungarische Opposition wirkt hilflos. «Aber nicht nur wegen Orban», sagt Peter Kreko, Direktor von Political Capital, einem finanziell unabhängigen politischen Forschungsinstitut. Die Opposition sei an ihrer desolaten Lage auch selber Schuld.
«Die Opposition war zu schwach, zu langsam, zu weich. Und jetzt ist es wohl zu spät, um die Dinge zu ändern.» Die Opposition schaffe es einfach nicht, sich gegen Orban zu vereinen, sagt er. Es gebe zu viele grosse Egos. Und zu viele kleine Parteien von ganz links bis sehr rechts.
Dies sieht auch die Politikerin Szél so. Sie selber sei für Zusammenarbeit. Im Streit darüber sei sie sogar aus ihrer grünen Partei ausgetreten. Trotzdem ist sie sicher, dass die Zusammenarbeit bei den Regionalwahlen im Herbst klappen wird.
Auch wenn es bei den Europawahlen diesen Frühling wieder nicht geklappt hat.