Apollo versucht, Daphne zu packen. Doch Daphne entzieht sich, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt. Ihre Finger sind schon zu Ästen, ihre Füsse zu Wurzeln geworden. Gian Lorenzo Bernini hat diese Szene der antiken Mythologie so elegant und anmutig in Marmor gehauen, dass man beinahe nicht mehr wahrnimmt, dass sich hier eine Vergewaltigung anbahnt.
Diese Skulptur, ein Juwel der Galleria Borghese, wird normalerweise von Dutzenden Besucherinnen und Besuchern bestaunt. Heute aber haben Daphne und Apollo nur wenige Zuschauer. Genau darum ist Giovanni, ein junger Römer, heute gekommen. «Wenn es hier Touristen hat, Besucher aus aller Welt, wird man weitergedrängt, man muss sich beeilen», sagt er.
In einem anderen, mit viel Gold ausstaffierten Raum hängt Caravaggios berühmter Jüngling, der einen Korb voller Früchte vor sich trägt. Luciana und ihr Freund Salvatore haben dieses weltberühmte Gemälde ganz für sich. «Wir haben diese einmalige Gelegenheit beim Schopf gepackt», sagen die beiden.
80 statt 400 Besucher aufs Mal
Seit Montag ist die Sammlung im Herzen Roms wieder offen, nach fast dreimonatiger Schliessung. Weil in Italien aber erst ab Juni wieder Reisefreiheit herrscht, gehört dieses Museum für zwei Wochen nur den Römern – genauer gesagt wenigen Römern, wie Direktorin Anna Coliva erklärt: «Vor dem Virus haben wir 400 Leute auf einmal in die Galerie gelassen. Heute, um Abstand zu halten, sind es maximal noch 80.»
Gerade seien es sogar nur 10. Wegen des Virus hat die Direktorin fast alles umgestellt. Die Besucher beziehen die Tickets neu vor der Galerie bei einem Pavillon. Den Museumsshop hat Coliva in den Park neben dem Museum verlegen lassen. Man muss Maske tragen, Handschuhe sind empfohlen. Jeder Besucherin, jedem Besucher misst man mit einem Scanner die Temperatur.
Wir erleiden schwere Verluste.
«Wir haben viel in die Hygiene investiert und gleichzeitig viel weniger Besucher», sagt sie. «Wir erleiden schwere Verluste.» Denn die von der Regierung verfügten Auflagen und Beschränkungen seien hart.
Des einen Leid ist des anderen Freud. Denn genau wegen dieser Beschränkungen sind Claudio und seine Freundin Alessia heute gekommen. Sonst sei der Besuch der Galleria Borghese äusserst kompliziert, sagen sie. Doch jetzt, ganz ohne Touristen, komme man schnell und einfach zu Tickets.
Kunst statt Pizza zum Geburtstag
Für das Paar bedeutet das Ende der Ausgangssperre, endlich wieder Kultur geniessen zu können: «Ich habe heute Geburtstag und schenke mir diese Freude», sagt Claudio. Nach fast drei Monaten daheim besucht er also zuallererst ein Museum. Warum nicht einen Laden oder eine Pizzeria?
Darauf hat der junge Römer eine sehr überzeugende Antwort: «Ich bin doch selbst Pizzabäcker. Pizza kann ich mir auch selbst machen.»