«Abstieg zur Hölle» betitelt die Madrider Zeitung «El Mundo», was ein 13-jähriges Mädchen in der Partyhochburg Mallorca erlebte. An Heiligabend wurde die ausgerissene Heimbewohnerin in Palma von sechs Jugendlichen vergewaltigt.
Von einem schockierenden Fall spricht der Journalist Tom Gebhardt, der aus Mallorca berichtet. Das Opfer sagte bei der Polizei aus, es habe vor der Vergewaltigung mehrere Angebote erhalten, sich zu prostituieren – ein Schicksal, das viele andere Heimkinder teilen, wie jetzt ans Licht kommt.
«Das Ungewöhnliche ist, dass so etwas normalerweise gar nicht in die in Medien gerät», gibt Gebhardt zu bedenken. Missbrauchsfälle würden auch in Spanien nicht medial ausgeschlachtet. «Zudem haben Kinder und Jugendliche aus Heimen auch keine Lobby und finden kein Gehör.»
Die Behörden blieben tatenlos
Nach der Vergewaltigung des Mädchens reichte es aber vielen Sozialarbeitern, die tagtäglich mit der sexuellen Ausbeutung konfrontiert sind – sie gingen von sich aus an die Öffentlichkeit. «Seit mehr als drei Jahren zeigen wir diese Zustände an. Aber die mallorquinische Sozialbehörde hat keine Massnahmen ergriffen», sagte einer der Sozialarbeiter im «Diario de Mallorca».
In manchen Heimen würden nahezu alle minderjährigen Heimbewohnerinnen zur Prostitution verleitet, berichtet das Lokalblatt. Obwohl offenbar viele Heimkinder auf der Partyinsel jahrelang zum Sex überredet wurden, sollen Verantwortliche bei den Behörden oft die Augen zugedrückt haben.
Oft sind Waisen oder Kinder betroffen, die schon in ihren Familien geschlagen oder Opfer sexueller Gewalt wurden.
Betroffen seien vorwiegend 13- bis 17-Jährige. Sie alle haben keine Eltern oder stammen aus sehr schwierigen Verhältnissen – und sind deshalb für Ausbeutung und Manipulation besonders anfällig. «Oft sind es Waisen oder Kinder, die schon in ihren Familien geschlagen oder Opfer sexueller Gewalt wurden», so Gebhardt.
Gefährliche Spirale von Drogen und Sex
Häufig betätigten sich andere minderjährige Mitbewohner als «Kuppler», um an kleine Geldbeträge oder an Drogen zu kommen. Aber auch Erwachsene sollen nicht nur als Kunden, sondern als Organisatoren in den Skandal verwickelt sein.
Es kursierten Berichte über entsprechende Fälle, so Gebhardt. Etwa über einen Mann aus Deutschland, der regelmässig auf die Insel komme und Heimkinder für Sex bezahlt haben soll. «Inwieweit es sich um organisiertes Verbrechen handelt, soll nun eine Kommission herausfinden.»
Kritik kommt aber nicht nur von Sozialarbeitern. Auch Anwälte, die mit Missbrauchsfällen in Heimen zu tun hatten, sagten «El Mundo», die Einrichtungen würden «miserabel verwaltet». Die Verantwortlichen schauten oft weg, wenn etwa eine 13- oder eine 14-Jährige tagelang aus einem Heim verschwinde.
«Mitarbeiter von Heimen sagen, es sei Alltag, dass die Mädchen dann mit neuen Schuhen oder Handys zurückkommen», berichtet Gebhardt. Woher das Geld komme, sei kein Geheimnis.
Der Journalist will sich abschliessend kein Urteil darüber anmassen, ob die Behörden und Heimleitungen Hinweise auf sexuelle Ausbeutung systematisch übergangen haben. Oder ob es sogar Mitarbeiter in den Heimen gegeben habe, die das Ganze begünstigt hätten – das müssten nun die weiteren Ermittlungen zeigen.