Darum geht es: In Den Haag hat vor dem Internationalen Gerichtshof IGH die erste Anhörung zu einer Klage Nicaraguas gegen Deutschland begonnen. Das autoritär regierte Land beschuldigt Berlin der Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen. Durch Waffenlieferungen an Israel ermögliche Deutschland einen Genozid und verstosse gegen internationales Recht. Nicaragua sieht sich als Fürsprecher der Palästinenser. Es will im Eilverfahren erreichen, dass Deutschland die Waffenlieferungen an Israel stoppen muss.
Berlins Reaktion: Deutschland weist die von Nicaragua erhobenen Vorwürfe der Beihilfe zu einem Völkermord im Gaza-Krieg entschieden zurück. «Deutschland verletzt weder die Völkermord-Konvention noch humanitäres Völkerrecht, weder direkt noch indirekt», sagte die Vertreterin Berlins zum Beginn der Anhörung in Den Haag. Zur Grössenordnung der Waffenlieferungen: Die deutsche Regierung hat 2023 Rüstungslieferungen für 326 Millionen Euro an Israel genehmigt. Das war zehnmal so viel wie im Jahr zuvor.
Internationale Aufmerksamkeit tut Präsident Ortega gut.
Das will Nicaragua: Neben dem sofortigen Stopp der Waffenlieferungen Deutschlands an Israel verlangt Nicaragua von den Richtern in Den Haag, dass Berlin die Unterstützung für das Palästinenserhilfswerk UNRWA wieder aufnimmt. Allerdings: «Nicaragua will mit der Klage vor allem international Aufmerksamkeit erregen», sagt der Journalist und Nicaragua-Kenner Toni Keppeler. Das mittelamerikanische Land sei international ziemlich isoliert. «Da tut die internationale Aufmerksamkeit dem Präsidenten gut», so Keppeler.
Darum gerade Deutschland: «Die Klage gegen Deutschland tut Nicaragua nicht weh», sagt Keppeler. Wenn Nicaragua etwa gegen die USA klagen würde – Washington liefert viel mehr Waffen nach Israel als Berlin – könnte das Land wirtschaftliche Probleme bekommen. So könnten die USA als Gegenmassnahme etwa die wichtigen Überweisungen von Exil-Nicaraguanern blockieren. Konkret erreichen könne Nicaragua mit der Klage gegen Deutschland allerdings wohl nicht viel, so Keppeler.
Repressives Regime: Nicaragua wird seit 2007 vom Ortega-Clan regiert – und die Klage passe ins Selbstbild von Präsident Daniel Ortega als linker Revolutionär, so Keppeler. Mit der Initiative für die in seinen Augen unterdrückten Palästinenser wolle Ortega beweisen, dass er – trotz seiner autoritären Herrschaft – immer noch zu den linken Regierungen der Erde gehöre. «Es ist wohl ein Versuch Nicaraguas, in der Welt Unterstützer zu finden – neben den bekannten Alliierten Kuba und Venezuela», so der Journalist.