- Öl- und Gasvorkommen haben Norwegen reich gemacht. Aber auch im nordeuropäischen Land spielt das Thema Klimaschutz eine Rolle.
- Nun könnte die Klimafrage zu einer politischen Neuausrichtung im Land führen.
- Acht Jahre lang war Norwegen fest in konservativer Hand. Bei den heutigen Parlamentswahlen hat die sozialdemokratische Arbeiterpartei die besten Aussichten.
Die Schlussdebatte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen NRK machte eines ganz deutlich: An der Klimafrage wollen sich beide Anwärter auf das höchste politische Amt im Land nicht die Finger verbrennen. Unter der amtierenden konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg will die Öl-Grossmacht Norwegen ganz auf Wasser, Wind und Sonne setzen.
Ihr sozialdemokratischer Herausforderer Jonas Gahr Støre sieht es genau gleich: auch seine Regierung wolle ganz auf Wasser, Wind und Sonne setzen. Was die beiden Spitzenpolitiker aber nicht sagten ist, dass sowohl die Konservativen wie auch die Sozialdemokraten auch in den kommenden Jahrzehnten weiterhin viel Öl- und Gas aus dem Nordatlantik holen wollen.
Damit bleibt Norwegen weiterhin einer der grössten Klimasünder der Welt – trotz viel sauberer Energie. Das heisst, die Machtfrage in Norwegen hängt nun weniger von den Unterschieden der beiden grössten Parteien ab, sondern von den möglichen Koalitionspartnern im rechtsbürgerlichen und dem rot-grünen Lager.
Klimawandel im Zentrum der Debatte
Und hier wirkt sich der Stimmungswechsel im Land nun viel stärker aus, sagt Harald Stanghelle, der frühere Chefredaktor der grössten norwegischen Tageszeitung «Aftenposten»: «Bei den letzten beiden Wahlen stand die Einwanderungs- und Asylpolitik ganz oben auf dem Sorgenbarometer der Norwegerinnen und Norweger, davon profitierte die rechtspopulistische Fortschrittspartei.»
Dementsprechend hatten die Konservativen am Schluss Oberwasser und konnten acht Jahre lang regieren. Jetzt aber steht der Klimawandel im Zentrum der politischen Debatte in Norwegen.
Kleinere Parteien als Zünglein an der Waage
Die Fortschrittspartei verlangt, dass noch mehr in den Ölsektor investiert wird. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums fordern kleinere linke und grüne Parteien, dass Norwegen so schnell wie möglich aus dem Ölgeschäft aussteigt. Und je nachdem, wie viel Gehör diese Forderung haben wird, je nachdem, wie diese kleineren linken und grünen Parteien abschneiden, wird das entscheidend sein, wer das nordische Land in den künftigen vier Jahren regieren wird.
Eine Rolle spielt dabei auch, so ist Stanghelle überzeugt, dass Norwegen in den letzten acht Jahren eine betont zurückhaltende Menschenrechtspolitik geführt hat – im Land des Friedensnobelpreises traditionell eine wichtige aussenpolitische Frage: «Ich bin alles andere als beeindruckt, was unser Engagement für die Demokratie und die Menschenrechte betrifft, besonders gegenüber China», betont der erfahrene Beobachter der norwegischen Politik.
Aussenpolitische Zurückhaltung
Tatsächlich war es vor zehn Jahren die Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Schriftsteller Liu Xiaobo, der zu einer Krise im Verhältnis Norwegens zu China führte. Nicht nur gegenüber Peking, sondern auch anderen wenig demokratisch aufgestellten Regimes hielt sich Norwegen deshalb in der Regierungszeit von Erna Solberg spürbar zurück.
Wenn die norwegischen Wahlberechtigten heute die Konservativen abwählen und sich für die Sozialdemokraten entscheiden, hätte dies daher nicht zuletzt Folgen für die Aussenpolitik.