Gestern und heute erlebt das schottische Glasgow einen eindrücklichen Aufmarsch der Staatschefs: US-Präsident Joe Biden ist dabei, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und viele mehr. Sie alle beschwören ihren Willen, nun endlich das Klima zu retten.
Der prominente Auftakt ist aussergewöhnlich für eine Klimakonferenz. Das letzte Mal gab’s das 2015 in Paris. Damals war es ein Griff von Gastgeber Frankreich in die diplomatische Trickkiste, um das Unmögliche zu schaffen: ein wirksames Klima-Abkommen.
Johnson wiederholt Frankreichs Trick
Der Coup gelang, die Weltgemeinschaft einigte sich auf das historische Pariser Klima-Abkommen. Nun, sechs Jahre später, muss Glasgow zeigen, dass dieses hält, was es versprochen hat: Zum ersten Mal wird Zwischenbilanz gezogen – haben die Länder genug CO2-Reduktionen geplant, um die Erwärmung wie vereinbart auf 1.5 Grad zu begrenzen?
Dass auch in Glasgow die Staatschefs den Auftakt machen, verdeutlicht: leider nein. Premier Johnson wiederholt Frankreichs Trick, um das Steuer herumzureissen.
Gemäss Pariser Abkommen sollten die Länder vor der Glasgower Konferenz verbesserte Klimaschutzpläne einreichen. Einige haben das getan, viele aber nicht. Mehrere Analysen kommen zum Schluss, dass sich die Welt trotz aller Pläne bis 2100 um etwa 2.7 Grad erwärmen wird: Das wäre gefährlich für unsere Kinder und Enkel, warnt der neueste Bericht des Weltklimarats IPCCC.
Präsident Biden hat sich redlich bemüht, nach der Ära Trump neuen Schwung in die internationale Klima-Diplomatie zu bringen. Aber so richtig ist das nicht gelungen, auch, weil er viele seiner eigenen Klimaschutzmassnahmen noch nicht durch die politischen Instanzen der USA gebracht hat. Und viele andere Regierungen sind skeptisch, dass dies gelingen wird – und dies bremst ihren Enthusiasmus zu handeln.
Nicht die Zeit der grossen Würfe
China zum Beispiel hat seine Klimaschutzpläne vor Glasgow nicht verbessert; aber immerhin angekündigt, im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr finanzieren zu wollen: Zuerst treten am Ort, dann ein kleiner Schritt vor – eine gute Zustandsbeschreibung der globalen Klimapolitik.
Auch der G20-Gipfel vom Wochenende hat deutlich gemacht: Es ist nicht die Zeit der grossen Würfe. Zwar haben die grössten Volkswirtschaften das 1.5-Gradziel des Pariser Abkommens bekräftigt und anerkennen, dass eine schnellere Reduktion von Klimagasen nötig ist. Aber wie das passieren soll, steht nicht im G20-Papier. So regt es kaum zu einer klimadiplomatischen Aufholjagd an.
UNO-Generalsekretär António Guterres hat vor «dem ernsthaften Risiko» gewarnt, dass die Konferenz in Glasgow «nicht liefern» werde. Er wird recht behalten, ausser die Briten schaffen es in Glasgow, den viel beschworenen Geist von Paris wiederzubeleben.