SRF News: Die USA haben den Austritt aus dem Klimaabkommen von Paris angekündigt, trotzdem werden auch US-Vertreter in Bonn erwartet. Was bedeutet das für die Verhandlungen?
Franz Perrez: Die USA sind nach wie vor Mitglied des Pariser Abkommens und sowieso Mitglied des Klima-Rahmenabkommens. Deshalb sind sie auch bei den Verhandlungen in Bonn ein vollwertiger Partner. Gleichzeitig hat Washington angekündigt, vermutlich in drei Jahren aus dem Pariser Abkommen austreten zu wollen. Deshalb wird es für die USA nun etwas schwieriger, sich in die Verhandlungen einzubringen.
Kernelemente des Pariser Abkommens werden kaum abgeändert.
Muss man erwarten, dass die US-Vertreter die Verhandlungen bremsen werden?
Bisher hat die US-Delegation keine obstruktive Haltung eingenommen, und ich glaube nicht, dass sie dies ändern wird. Allerdings sind die US-Vertreter in gewissen Kernthemen weniger engagiert als sie dies in der Vergangenheit waren.
US-Präsident Donald Trump sagt, er könne sich einen Verbleib beim Pariser Abkommen vorstellen, falls der Vertrag zum Vorteil der USA abgeändert würde. Was muss man sich darunter vorstellen?
Sicher ist, dass das Pariser Abkommen nun nicht neu verhandelt wird. Alle Mitglieder des Vertrags – ausser die USA – haben immer wieder betont, dass sie zu dem Abkommen stehen und es nicht verändern wollen. Nun läuft die Phase der Verhandlungen über die konkreten Umsetzungen der Übereinkunft. Insofern besteht ein gewisser Spielraum beim Aushandeln der Umsetzungsbestimmungen. Dies geht jedoch kaum so weit, dass Kernelemente des Pariser Abkommens abgeändert werden können. Deshalb ist das Ziel der USA kaum realistisch.
Vielerorts besteht nun die Hoffnung, dass China anstelle der USA die Rolle des Motors beim Vorantreiben des Klimaabkommens einnehmen könnte. Glauben Sie das auch?
Zuerst: Es ist sehr gut, dass China sein klares Bekenntnis zum Klimaabkommen bekräftigt hat – auch nach den Ankündigungen der Regierung Trump. China will das Abkommen umsetzen und steht zu dem Vertrag. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Peking bei den Verhandlungen zum Pariser Abkommen eine den USA jeweils entgegengesetzte Haltung eingenommen hat. Während sich Washington – unter Präsident Barack Obama – für einen robusten Vertrag eingesetzt hat, versuchte China stets, diese Robustheit aufzuweichen. Ich glaube nicht, dass Peking seine Position diesbezüglich ändern wird.
Die Klimakonferenz in Bonn ist ein Arbeitstreffen. Es geht darum, die Regeln des Pariser Abkommens näher zu definieren. Das tönt sehr technisch – ist die Konferenz trotzdem wichtig?
Ja, gerade deshalb ist sie so wichtig. Die grossen Momente, in denen wichtige politische Entscheide gefällt werden, sind nur möglich, wenn man dazwischen intensiv arbeitet. Das Aushandeln der technischen Umsetzungsregeln bedeutet viel Arbeit. Es geht dabei etwa darum, wie die Emissionen berechnet werden, wie darüber Bericht erstattet wird oder wie diese Berichte überprüft werden. Das sind alles zwar technische Fragen, gleichzeitig unterliegen diese Fragen immer wieder politischen Diskussionen. So stellt sich etwa die grosse Frage, ob bloss zwischen Industrie- und Entwicklungsländern differenziert werden soll, oder ob die Unterscheidung feiner erfolgen soll, etwa gemäss den Kriterien «Kapazität» und «Verantwortung». Konkret: Soll China genau gleich über seine Emissionen Bericht erstatten müssen wie ein Industrieland, oder soll es das bloss so tun müssen, wie eines der ärmsten Länder der Welt?
Welche Positionen vertritt die Schweiz in diesen Fragen?
Das Pariser Abkommen lässt eine grosse Differenzierung zu: Jedes Land soll sein Ziel selber formulieren und zwar so, wie dieses seine Realität und Kapazität widerspiegelt. Wenn es allerdings um die Berichterstattung darüber geht, wie dieses Ziel erreicht wurde, sollten grundsätzlich für alle Länder die gleichen Regeln gelten, so die Haltung der Schweiz. Es kann nicht sein, dass die Robustheit der Berichterstattung eines Landes wie China geringer ist als jene beispielsweise von Liechtenstein.
Aus der Schweiz reist nur eine relativ kleine Delegation von rund einem Dutzend Leuten nach Bonn. Dort laufen dann viele parallele Verhandlungen. Wo setzt die Schweiz ihre Schwerpunkte?
Wir werden uns vor allem bei den Diskussionen zur Umsetzung der Pariser Richtlinien engagieren. Dabei sind vier Bereiche besonders wichtig: Welche Bedingungen müssen die von den Ländern formulierten und eingereichten Ziele erfüllen? Wie kann ein Land im Ausland finanzierte Emissionsreduktionen an das eigene Ziel anrechnen lassen? Wie soll die Berichterstattung über die Zielerfüllung stattfinden? Und: Wie soll der Prozess ablaufen, dass die Vertragsländer alle fünf Jahre neue, ambitioniertere Ziele formulieren?
Sie waren an der Vorbereitungskonferenz zu Bonn, wo sich Vertreter der wichtigsten Länder vorbesprochen haben. Welchen Eindruck haben Sie im Hinblick auf die Bonner Konferenz?
Es war eine sehr gute Vorbereitungskonferenz. So ist es Fidschi gelungen, seine Glaubwürdigkeit und Sympathien zu stärken. Es ist bei einer solchen Konferenz sehr wichtig, dass die Präsidentschaft eine grosse Unterstützung geniesst. Zudem wurde deutlich, dass die Länder die nächsten Schritte im Grundsatz ähnlich verstehen: Es gibt eine Bereitschaft, nach der konzeptionellen Arbeit jetzt an den detaillierten Texten zu arbeiten. Es gibt auch ein gemeinsames Verständnis, wie diese Texte entstehen und formuliert werden könnten. Ich schaue der Bonner Konferenz deshalb positiv entgegen.
Das Gespräch führte Klaus Ammann.