- Der erste Anlauf der Wahl eines neuen Regionalpräsidenten Kataloniens ist gescheitert.
- Der aussichtsreiche Kandidat der Separatisten Quim Torra hat die nötige absolute Mehrheit der Stimmen wie erwartet knapp verfehlt.
- Bei der zweiten Wahl am Montag, wo er nur eine einfache Mehrheit benötigt, werden dem Anwalt und Schriftsteller aber gute Chancen eingeräumt.
Der Kandidat der katalanischen Separatisten für das Amt, Quim Torra, hat in einem Interview bereits seine politischen Vorstellungen umrissen. Er werde die Bemühungen zum «Aufbau einer Republik» fortsetzen. Dazu wolle er nach seiner Wahl unter anderem «einen verfassunggebenden Prozess einleiten». Der 55-Jährige war zuvor von Parlamentspräsident Roger Torrent nominiert worden.
Der von der spanischen Justiz gesuchte Separatistenchef Carles Puigdemont hatte zuvor am Donnerstag auf eine eigene Kandidatur verzichtet und Torra vorgeschlagen. Torra ist bereits der vierte Bewerber.
Anders als seine Vorgänger, darunter auch der derzeit in Berlin lebende Puigdemont, geht der Anwalt und Schriftsteller von Justizproblemen unbelastet in die Debatte. Ihm werden daher gute Chancen eingeräumt. Wenn es bis zum 22. Mai – in nur eineinhalb Wochen – keine neue Regierung gibt, muss in Katalonien neu gewählt werden.
Bisher kein Gegenwind aus Madrid
Sicher ist, dass weder die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy noch die Justiz Torra zunächst Steine in den Weg legen werden. Rajoy sagte, er werde Torra «an seinen Taten messen». Die Kandidaturen der bisherigen Bewerber waren alle aufgrund von Anträgen Madrids gekippt worden, weil sich die Anwärter entweder im Ausland im Exil aufhielten – was beim ersten Versuch mit Puigdemont im Januar der Fall war – oder aber in Untersuchungshaft sassen.
Das Verfassungsgericht hatte im Januar bestätigt, dass nur gewählt werden kann, wer persönlich im Parlament anwesend ist.
Der Montag könnte entscheidend werden
Die Gefahr für Torra lauert vielmehr im eigenen Lager. Die drei für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien haben in Barcelona zusammen mit 69 von 135 Sitzen zwar eine knappe absolute Mehrheit. Dazu gehören aber auch die vier Stimmen der linksradikalen CUP. Sie will auf keinen Fall für Torra votieren, da sie auf einer Puigdemont-Kandidatur besteht.
Erst am Montag bei der zweiten Wahl, bei der eine einfache Stimmenmehrheit ausreicht, hat Torra also wirklich eine Chance.
Ein Stück Normalität könnte einkehren
Endlich wieder eine eigene Regierung zu haben, ist für das zurzeit unter Zwangsverwaltung Madrids stehende Katalonien immens wichtig. Das hatte Puigdemont wohl im Blick, als er am Donnerstag einen Schritt zur Seite tat und Torra vorschlug.
Bei Amtsübernahme der neuen Regierung würde die seit mehr als sechs Monaten bestehende Zwangsverwaltung automatisch aufgehoben werden. Die von der Krise in Mitleidenschaft gezogene Wirtschaft könnte neue Impulse bekommen, ein Stück Normalität einkehren.
Puigdemont: Torra ist Übergangslösung
Eine Überwindung der Probleme ist aber noch weit entfernt. Zum einen, weil Puigdemont zwar pragmatisch gehandelt, aber nicht das Handtuch geworfen hat. Der Ex-Regionalpräsident, der nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 und seiner anschliessenden Amtsenthebung im Herbst nach Belgien geflohen war und am 25. März aufgrund eines spanischen Haftbefehls im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein festgenommen wurde, betonte, er bleibe der «legitime Präsident» Kataloniens.
Vor internationalen Instanzen wolle er weiterkämpfen. Torra sei nur «eine Übergangslösung», beteuerte der Mann, der auf eine Entscheidung der deutschen Justiz über seine Auslieferung an Spanien wartet.
In einem in Berlin aufgenommenen Video sagte er, der Ersatzkandidat werde die «Regierung im Inland» anführen und sei dazu verpflichtet, «das Mandat des Referendums umzusetzen». Beobachter und Gegner der Unabhängigkeit erwarten deshalb auch nicht, dass sich Torra nach seiner Wahl zum Regionalpräsidenten gegen den «Chef» auflehnt.
Die Spanier können nichts anderes als plündern
Torra, der bisher weitgehend unbekannte frühere Leiter des separatistischen Kulturvereins Omnium Cultural, gilt als Hardliner unter den Separatisten. Und als sehr loyal. Auf Twitter schrieb Torra vor nicht langer Zeit: «Die Spanier können nichts anderes als plündern.»
«Eine radikale Marionette, die die Herausforderung aufrecht erhalten soll», nannte ihn die Zeitung «El Mundo» am Freitag. Andere Blätter, wie «ABC», bezeichneten Torra als «Strohmann».