Am Ende waren es nur wenige zehntausend Stimmen, die den Unterschied machten zwischen Gewinner Yamandú Orsi und dem Zweitplatzierten Álvaro Delgado von den Konservativen. Und doch ist das Resultat klar: Der 57-jährige Orsi, ein ehemaliger Geschichtslehrer, ist Uruguays designierter neuer Präsident. Orsi ist ein politischer Zögling des linken Ex-Präsidenten José Mujica und politisiert links der Mitte.
«Triumphiert haben Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit», sagte Yamandú Orsi nach Bekanntgabe seines Wahlsieges und rief zu gegenseitigem Respekt auf. Der unterlegene Álvaro Delgado sicherte dem neuen Präsidenten die Unterstützung der Konservativen zu: «Solange es nicht gegen unsere Prinzipien geht, werden wir der Politik des Präsidenten zustimmen – wenn es um das Wohl Uruguays geht, ist auf uns Verlass.»
Typisch uruguayisches Wahlresultat
Es ist ein typisch uruguayisches Wahlresultat: Anders als in den grossen Nachbarländern Brasilien und Argentinien ist die uruguayische Politik gemässigt und wenig polarisiert. Deshalb auch das knappe Rennen: Den rund 2.7 Millionen stimmberechtigten Wählerinnen und Wählern dürfte die Entscheidung schwergefallen sein. Denn allzu grosse Differenzen gibt es zwischen links und rechts in Uruguay nicht – so wollten beide Kandidaten die zuletzt angestiegene Kinderarmut bekämpfen und mit attraktiveren Steuer-Bedingungen Investoren anlocken.
Nun hat Orsi die Wahl für sich entschieden – und löst damit den Konservativen Luis Lacalle Pou ab. Das konsensorientierte uruguayische Gemüt ist das wichtigste Rüstzeug für den neuen Präsidenten: Damit er sich behaupten kann, braucht er Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft. Denn im Parlament haben die Linken nur in einer der beiden Kammern eine knappe Mehrheit.
Uruguay muss nun Geschick beweisen
Fingerspitzengefühl braucht es auch in der Aussenpolitik, denn Uruguays Nachbarn – der linke und China-freundliche Luis Inácio Lula da Silva in Brasilien, und der rechtsliberale Trump-Freund Javier Milei in Argentinien – verfolgen oft ganz gegensätzliche Ziele. Da muss das kleine Uruguay jetzt Geschick beweisen, um zwischen den grossen lärmigen Nachbarn nicht vergessen zu gehen.
Doch einen Weg in der Mitte finden – unaufgeregt und bodenständig – genau das ist die Stärke des laizistischen Uruguays, einer der stabilsten Demokratien Lateinamerikas. Nicht umsonst wird Uruguay auch die Schweiz Südamerikas genannt.