Auf der Bühne hebt eine junge Frau ihren Zeigefinger und ruft ins Publikum: «Erhebt eure Stimme! Wir haben das Unrecht satt.» Neben ihr beendet ein Maler das Porträt einer südsudanesischen Frau – er malt Tränen in ihr Gesicht.
Das Künstlerkollektiv «Anataban» (arabisch: «ich bin müde») hat sich vor drei Jahren formiert. Damals brach der Konflikt erneut aus. Die Künstlerinnen und Künstler wollten der Bevölkerung eine Stimme geben. «Man hörte stets nur die Politiker, die Regierung, die Opposition. Doch was fehlte, war eine Stimme der südsudanesischen Bevölkerung», erzählt Rapper Manasseh Mathiang. Er war einer der Gründer.
Künstler aller Ethnien
Auf der Freiluftbühne des Kulturlokals steht auch der Dichter Monde Lual Mathieng. Er wuchs im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia auf. Als er zurück in die südsudanesische Hauptstadt Juba zog, fand er in Anataban eine Familie, wie er sagt: «Es gab mir ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.»
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist im Südsudan nicht selbstverständlich. Das Land wurde bereits vor der Gründung 2011 über Jahrzehnte von ethnischen Konflikten geprägt. Doch bei Anataban ist die Herkunft zweitrangig, wie Dichterin Lin Nelson bekräftigt: «Dinka, Nuer, Shilluk – alle Ethnien sind bei uns dabei.»
Die bunte Gemeinschaft will einen Beitrag leisten zu einem friedlicheren Südsudan. Die rund 30 Künstlerinnen und Künstler organisieren Festivals im ganzen Land, produzieren Songs. Und erreichen auch in den sozialen Medien tausende Menschen.
«Menschen sind mutiger geworden»
«Wir wollen zeigen, dass sich etwas ändern kann im Land», so Gründer Mathiang. Das habe Wirkung gezeigt. «Die Menschen sind mutiger geworden. Vor Anataban hatten die meisten Angst, ihre Meinung zu sagen.»
Seit etwas mehr als einem Jahr herrscht im Südsudan ein Waffenstillstand. Nun müssten sich die machthungrigen Männer um Präsident Salva Kiir und Oppositionsführer Riek Machar zusammenraufen. Sie haben sich verpflichtet, gemeinsam eine Regierung zu bilden. Doch soeben wurde der Termin dafür erneut verschoben. Noch nicht mal der Aufbau gemeinsamer Sicherheitskräfte hat bisher nicht geklappt.
«Die Gewehre müssen schweigen», fordert Rapper Mathiang. Damit spricht er vielen Menschen im Südsudan aus dem Herzen.