Im Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen ist ein ganzes Kapitel der Kokapflanze und dem Kokain gewidmet. Der Grund ist simpel: Für zehntausende Kleinbauern ist Koka die wirtschaftliche Grundlage. Die Kokablätter können alle zwei Monate gepflückt und verkauft werden. Und sie sind das einzige Landwirtschaftsprodukt, das einen guten Preis erzielt.
Entwicklungsschub gegen Kokawirtschaft
Die historische Vernachlässigung der ländlichen Räume durch den Staat ist der Hauptgrund, dass sich die Kokawirtschaft und die illegale Kokainherstellung derart ausbreiten konnten. Heute ist das Kokagebiet Kolumbiens fast so gross wie der Kanton St. Gallen.
Im Friedensabkommen hat sich die Regierung verpflichtet, diese Gebiete beschleunigt zu entwickeln. Sie versprach Schulen, Strassen, Spitäler und Gerichte. Und sie will Alternativen schaffen zur Kokapflanze.
Beim Start der Kampagne Mitte letzten Jahres legte Staatspräsident Juan Manuel Santos beim Ausreissen von Kokastauden selber Hand an. «Zunächst geht es darum, 500 Quadratkilometer Koka durch alternative Nutzpflanzen zu ersetzen wie Kaffee, Kakao und Kautschuk», sagte Santos. Vom Pilotprojekt profitieren Kleinbauern. Das kolumbianische Fernsehen zeigt lauter zufriedene Gesichter.
Von einer Hektare Koka kann ich mit der Familie ordentlich leben.
«Während eines Jahres sichert der Staat jeder Familie ein Einkommen von monatlich umgerechnet 350 Franken. Und eine Einmalhilfe von 3000 Franken, damit wir umstellen können auf Kakao», erzählt einer der Campesinos.
Nur jeder vierte Bauer erhält Hilfe
Das Programm, die Bauern von der Koka wegzubringen, läuft sehr schleppend. Letztes Jahr wurde nur ein Drittel der gesteckten Ziele erreicht. Gut 120‘000 Bauern sind bereit, ihre Produktion umzustellen, aber erst jede vierte Bauernfamilie bekommt staatliche Hilfe dafür.
Die Hektare Kakao wirft hingegen nur ein Zehntel dessen ab, was man mit Koka erwirtschaftet.
Doch die Bürokratie treibt wilde Blüten. Die Umstellung ist auf bescheidenen 25 Quadratkilometern im Gang. Gleichzeitig spielen das kolumbianische Militär und die Polizei ihr eigenes Spiel: Auf weiteren 300 Quadratkilometern haben sie die Kokastauden gewaltsam ausgerissen – ohne Dialog und Anreiz zum Umsteigen.
Trotz Frieden mit der Guerillaorganisation Farc fällt es dem Staat schwer, über den eigenen Schatten zu springen.
Kakao wirft zu wenig ab
Dass die Kokaproduktion nicht so schnell aufhört, hat noch einen anderen Grund. Ein Bauer bringt es so auf den Punkt: «Von einer Hektare Koka kann ich mit der Familie ordentlich leben. Die Hektare Kakao wirft hingegen viel zu wenig ab. Es ist nur ein Zehntel dessen, was man mit Koka erwirtschaftet.»
In der Praxis bedeutet das, dass viele Bauern zwar mitmachen bei der Substitution, dass sie die staatliche Hilfe kassieren und andere Produkte anpflanzen. Doch insgeheim legen viele neue Kokafelder an. Aus demselben Reflex wie der Kleinsparer sein Geld der Sparkasse anvertraut und seine eisernen Reserven bildet.
Kokain wird immer lukrativer
Zudem steigt die Nachfrage nach Kokain weiter. Brasilien ist heute das zweitwichtigste Absatzland für die Droge. In Afrika, Asien und Australien entstehen neue Märkte.
Allerdings stehen die Koka produzierenden Kleinbauern Kolumbiens heute viel stärker im Kreuzfeuer als zu Zeiten der Farc-Guerilla, die damals der Platzhirsch in den Anbaugebieten war. Heute bekriegen sich Kriminelle und paramilitärische Banden sowie dissidente Guerilleros aufs Heftigste und versuchen im Kokageschäft das Vakuum, das mit dem Abzug der Farc entstanden ist, aufzufüllen.