Das Wichtigste in Kürze
- Die Rebellenorganisation Farc hat in Kolumbien etwa 70 Prozent des Drogenhandels und des Koka-Anbaus kontrolliert. Das Geschäft wird nun von der Drogenmafia übernommen.
- Verschiedene Fraktionen dieser Gruppen tragen ihre Kämpfe um die Vormachtstellung im Drogenhandel in den Gefängnissen Brasiliens aus. Dort sind ihre Hauptquartiere.
- Während der Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kolumbien konnte die Farc den Koka-Anbau verdoppeln, damit kam mehr Kokain auf den internationalen Markt.
- Seit Anfang Jahr wurden grössere Mengen Kokain in Europas Häfen beschlagnahmt denn je zuvor.
SRF News: Wo finden die Kämpfe um die Vormachtstellung im Drogenhandel statt?
Alexander Busch: Diese Kämpfe werden in den Gefängnissen im Norden Brasiliens und im Amazonas ausgetragen. Um den Jahreswechsel wurde bekannt, dass es in den brasilianischen Gefängnissen grosse Rebellionen mit vielen Morden – bis zu 150 Insassen kamen ums Leben – gab. Die verschiedenen Fraktionen, die versuchen, den Markt zu erobern, tragen die Kämpfe in den Gefängnissen des Nordens aus. Sie haben dort ihre Hauptquartiere.
Um welches Erbe der kolumbianischen Rebellenorganisation Farc wird da gestritten?
Die Farc hat etwa 70 Prozent des Kokainhandels und des Koka-Anbaus in Kolumbien kontrolliert. Den gibt sie nun auf, wobei ein Teil der Farc jedoch nicht mitmacht und die Produktion nicht aufgibt. Diese Ware wird von anderen Drogenmafias übernommen. Das ist die Seite der Produktion. Aber die Farc hatte auch ein Abkommen mit einer brasilianischen Drogenmafia, damit der Handel durch den Amazonas organisiert werden konnte. Nun gibt es aber viel grössere Mengen, die dafür zur Verfügung stehen, weil der Farc während der vierjährigen Verhandlungen zugesagt worden ist, dass ihre Plantagen nicht von der Regierung aus der Luft zerstört werden. In diesen vier Jahren hat die Farc den Koka-Anbau wieder verdoppeln können. Sie baut jetzt wieder so viel an wie ungefähr 2007. Mit diesem Übereinkommen während der Verhandlungen hat die Farc für den Fall vorzubeugen versucht, dass die Verhandlungen schief gehen und um einen finanziellen Rückhalt zu haben. Dieses Überangebot sucht jetzt einen neuen Markt.
Was heisst das für den Drogenexport?
Er wird vermutlich rasant zunehmen. Der Abtritt der Farc führt zu einer geopolitischen Neuordnung in Südamerika. Das wird weltweite Verschiebungen im Drogenhandel mit sich bringen. Seit Anfang Jahr hat man grosse Zunahmen bei Beschlagnahmungen in den Häfen Englands festgestellt. Vor Englands Küste beispielsweise sind auf einem Schiff an Rettungswesten angebundene Kokainsäcke beschlagnahmt worden. Gefunden wurden Mengen, die man sich vorher gar nicht vorstellen konnte. Das Volumen nimmt zu, die Preise beginnen zu sinken. Hier in Brasilien selber merkt man konkret am Kokainangebot am Markt aber noch nichts.
Durch die veränderte Situation zwischen den USA und Mexiko wächst die Befürchtung, dass man nicht mehr so einfach nach Norden exportieren kann.
Was macht Europa gerade jetzt attraktiv für den Drogenexport?
Durch die veränderte Situation zwischen den USA und Mexiko – durch Trumps Mauer – besteht die Befürchtung, dass man nicht mehr so einfach nach Norden, in den wichtigsten Markt, exportieren kann. Dadurch ist es interessanter geworden, die Ware nach Europa zu transportieren. Der Weg ist zwar viel weiter, aber der Amazonas ist kaum zu kontrollieren.
Wie lukrativ ist das Kokaingeschäft in Europa?
Wegen der hohen Pro-Kopf-Einkommen in Europa ist es sehr lukrativ. Europa ist auch interessant als Drehscheibe für Kokainexporte nach Russland oder in den Nahen Osten, nach Indien, ja selbst nach China, wie Europol schreibt. Dort sind die Preise höher als in den USA.
Zürich gilt als die Stadt mit dem dritthöchsten Kokainkonsum in Europa.
Gibt es konkret absehbare Folgen für die Schweiz?
Die Schweiz mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Europa ist ein sehr interessanter Markt. Sie wird auf jeden Fall von den neuen Routen etwas abbekommen. Zürich gilt als die Stadt mit dem dritthöchsten Kokainkonsum in Europa.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.