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Kommerzieller Walfang in Japan «Es ist in Tat und Wahrheit nicht so dramatisch»

Japan hat den Austritt aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) angekündigt und will den kommerziellen Fang wieder aufnehmen. Dies mit der Begründung, die Walbestände hätten sich erholt. Tierschützer befürchten einen Nachahmereffekt in anderen Ländern. Der Schweizer Walfang-Experte Bruno Mainini hingegen wertet die neue Ankündigung sogar als positiv. Im Interview erklärt er warum.

Bruno Mainini

Schweizer Walfang-Experte

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Der Schweizer Zoologe und Spezialist für Artenschutz war bis 2016 Präsident der Internationalen Walfangkommission (IWC) und leitet aktuell bei dieser Organisation das Komitee für indigenen Walfang.

SRF News: Japan will im nächsten Jahr wieder mit dem kommerziellen Walfang beginnen. Wie schlimm ist dieser Entscheid?

Bruno Mainini: Auf den ersten Blick wirkt dieser Entscheid schlimm. In Tat und Wahrheit ist es aber nicht so dramatisch. Japan hat immer Wale gejagt, auch in den vergangenen Jahren: Wissenschaftlicher Walfang in der Antarktis. Dieser Walfang wird jetzt ersetzt mit lokalen, kommerziellen Walfang in Gewässer Japans. Wichtig ist: In den Relationen ist das praktisch vernachlässigbar. Jährlich sterben 100'000 Wale durch menschliche Aktivitäten. Zum Beispiel als Beifangopfer, Schiffskollisionen und andere Faktoren, die deutlich wichtiger sind. Zudem wird Japan laut Ankündigung keine bedrohten Arten jagen.

Bekanntlich sind keine anderen Nationen daran interessiert, in Zukunft kommerziellen Walfang zu betreiben.

Welche sind die grössten Gefahren für Wale?

Das ist in erster Linie die Fischerei. Bei den heutigen Fangmethoden können auch grosse Wale, also auch Potwale, in den Netzen verenden. Das ist ein stilles Sterben auf dem Meer. Das sieht man nicht. Das sind rund 100'000 Exemplare, die jährlich verkommen. Das ist das Hauptproblem neben Verschmutzung und Schiffskollisionen.

Werden nun nach Japan weiter Länder bei kommerziellen Walfang nachziehen?

Davon ist nicht auszugehen. Seit Jahren haben überhaupt nur wenige Länder Interesse am Walfang. Norwegen und Island betreiben kommerziellen Walfang. Das ist legal, weil sie ein Vorbehalt gegen das Moratorium haben. Bekanntlich sind aber keine anderen Nationen daran interessiert, in Zukunft kommerziellen Walfang zu betreiben.

Die Nachfrage nach Walfleisch ist in Japan sehr gering. Warum will Japan den Walfang pushen?

Es hat einen historischen, kulturellen Aspekt. Es gibt einzelne, kleinere Gemeinden, die noch Walfang betreiben. Und es ist sicher nicht die Idee, wieder im grossen Stil kommerziellen Walfang zu betreiben, sondern ein lokales Bedürfnis zu befriedigen.

Japan zieht sich zurück und wird den Fang nur noch in ihren Hoheitsgewässern betreiben. Das ist sicher positiv zu werten.

Es gibt also keinen politischen Hintergrund?

Japan will wie jeder andere Staat sicherlich auch selber entscheiden, ob und welche Aktivitäten durchgeführt werden. Das ist verständlich und wäre auch im Fall anderer Länder – auch der Schweiz – nicht anders.

Japan will sich nun aus der Antarktis zurückziehen. Der Walfang, der in den vergangenen Jahren dort durchgeführt wurde, wird eingestellt. Was hat das für Konsequenzen?

Es ist sicher ein Signal, dass die Zeit des kommerziellen Walfangs, welcher in allen Weltmeeren stattfand, definitiv der Vergangenheit angehört. Japan zieht sich zurück und wird den Fang nur noch in ihren Hoheitsgewässern betreiben und nicht fernab vom eigenen Land. Das ist sicher positiv zu werten. Denn für den kommerziellen Walfang im grossen Stil wäre ein Gebiet wie die Antarktis sehr lohnend. Denn dort sind die Walbestände teilweise sehr hoch. Der Walfang wäre dort am rentabelsten.

Das Gespräch führte Christof Schneider.

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