Am Dienstag war noch ein Heimspiel angesagt: Ursula von der Leyen trat vor ihrer eigenen Fraktion auf, den europäischen Christdemokraten. Von ihnen darf sie am meisten Unterstützung erwarten, sogar vom eher euroskeptischen Flügel der Volkspartei in Osteuropa.
Heute galt es nun, Stimmen bei anderen, proeuropäischen Fraktionen zu sichern.
Spitzenämter für ihre Konkurrenten
Den Sozialdemokraten versprach sie, dass deren Spitzenkandidat, der Niederländer Frans Timmermans, ihr Stellvertreter werden soll.
Und sie wünsche sich, dass die EU-Kommission künftig aus gleich vielen Frauen wie Männern zusammengesetzt werde. Sie erwarte entsprechende Vorschläge aus den Mitgliedsstaaten. Am Mittag, bei den Liberalen, kündigte von der Leyen Ähnliches an: Auch deren Spitzenkandidatin, Margrethe Vestager, soll in der EU-Kommission eine herausragende Funktion erhalten.
Den zahlreichen Vertretern der britischen Liberalen versicherte sie, alles zu tun, um den drohenden Brexit so geordnet wie möglich zu gestalten. Das heisst, sie verteidigt die jetzige EU-Strategie, alles daranzusetzen, dass der ausgehandelte Vertrag doch noch eine Mehrheit im Vereinigten Königreich findet.
Klimawandel, Migration und Digitalisierung
Und natürlich brauche Europa eine ambitionierte Klimapolitik, so wie dies von den Wählern bei der Europawahl klar zum Ausdruck gebracht wurde. Die EU müsse sich auf ein abgestimmtes Asylverfahren einigen, eine klare Haltung in der Flüchtlingsfrage finden und einen Schub bei der Digitalisierung anstreben.
Offen zeigte sich von der Leyen auch dafür, in fünf Jahren transnationale Listen bei der Europawahl einzuführen. Am späten Nachmittag wiederholte sie all diese Versprechen vor der Fraktion der Grünen. Dort ist die Skepsis gegenüber ihrer Nomination für das EU-Präsidium am grössten.
Darum geht es in diesen Tagen: Von der Leyen darf nicht anecken, sich keinen Fehltritt erlauben, sie muss Verständnis auf alle Seiten hin signalisieren und einen breiten politischen Konsens suchen. Abgerechnet wird voraussichtlich am kommenden Dienstag. Dann ist ihre Wahl im EU-Parlament angesetzt.
Bis dahin will sie weiter um jede Stimme werben – im Wissen darum, dass tatsächlich jede Stimme zählen wird.